Beschreibung
Giambattista Bodoni, Antiquar, erwacht aus dem Koma und hat einen Teil seines Gedächtnisses verloren. Auf der Suche nach seinen persönlichen Erinnerungen fährt er ins Haus seiner Kindheit und findet dort alles wieder: Bücher und Bilder, Comics und Kino, Pastadosen und Zigarettenschachteln. Was für Bodoni eine Reise der Wiederentdeckungen durch sein Leben und seine Lieben wird, gerät Eco zur Zeitreise durch das 20. Jahrhundert: witzig, nostalgisch und überraschend.
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Autorenportrait
Umberto Eco wurde am 5. Januar 1932 in Alessandria (Piemont) geboren und starb am 19. Februar 2016 in Mailand. Er zählte zu den bedeutendsten Schriftstellern und Wissenschaftlern der Gegenwart. Sein Werk erscheint bei Hanser, zuletzt u.a. der Roman Nullnummer (2015), Pape Satàn (Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen, 2017), Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis (2019), Der ewige Faschismus (2020) und Der Name der Rose (Jubiläumsausgabe, 2022).
Rezension
"Eco auf der Höhe seines Könnens." Hannes Hintermeier, F.A.Z., 06.10.04
"Umberto Eco, letzter Universalist, Virtuose des literarischen Versteckspiels, Meister des mehrstimmigen Satzes, dessen Erzählstrom immerzu von Sturzfluten aus Bildung überbrandet und unterspült wird. ... Wir selbst werden Zeuge der Schätze, die da an den Tag kommen, wir haben sie unmittelbar vor Augen. Denn Ecos neues Werk ist ein Illustrierter Roman, ein wahres Bilder-Buch, und viele der Fundstücke werden uns in farbigen Abbildungen vorgelegt, sodass wir an der Recherche teilnehmen." Dieter Hildebrandt, Die Zeit, 07.10.04
"Ein Roman von packender Faszination. Vielleicht der gelungenste seit dem "Namen der Rose". Daniel Binswanger, Die Weltwoche, 39/04
"Umberto Ecos neues Opus-Magnum ist nostalgisch, witzig und pointiert - eine furiose Reise durch die Alltagsmythen." Susanne Kunckel, Welt am Sonntag, 10.10.04
"Eine illustrierte postmoderne Autobiographie in Romanform - das Spiel aller Spiele also. Wer, außer dem genialen gelehrten Spieler Eco, könnte solch ein Projekt wuppen? ... Eco schreibt mit viel Eleganz und großem, alles umgarnenden Charme." Robin Detje, Süddeutsche Zeitung, 13.10.04
"Umberto Eco hat seit je den Schalk im Nacken. ... Ein Bilderbuch, ein "romanzo illustro", die Autobiographie seiner Generation. ... Die "mysteriöse Flamme" ist auch ein Bild für die unerschliessbaren Regionen des Menschen. Die Seele bleibt eben doch ein Geheimnis." Maike Albath, Neue Zürcher Zeitung, 12.10.04
"Ein Fest für alle Flohmarkt-Freunde und für alle Eco-Fans, denn das neueste Werk des Semiotik-Professors ist nicht nur ein Potpourri der Populärkultur, sondern auch stark autobiografisch." Angela Wittmann, Brigitte, 13.10.04
"Vor unseren Augen entsteht ein hinreißendes Panorama all dessen, was Kids, was Teenies vom Ende der Dreißiger- bis Ende der Vierzigerjahre des letzten Jahrhunderts verschlungen haben.
... Das Schöne an Ecos Bilderbuch ist, dass das Gedächtnis der Leser quasi wie von selbst Bilder aus der je eigenen Vergangenheit hervorholt, frühe Lesevergnügungen, Ängste, Allmachtsfantasien, die dennoch oft nicht ihm allein, sondern seiner Generation gehören." Christian Semler, die tageszeitung, 30./31.10.04
"Der große italienische Erzähler Umberto Eco amüsiert durch ein Romandenkspiel mit alten Bildern." Ulrike Knöfel, Der Spiegel, 04.10.04
"Es werde Roman! Umberto Eco, souverän spielerisch, wie gewohnt. ... Die Lektüre von Umberto Ecos neuem Roman bereitet tatsächlich Vergnügen." Hans Raimund, Die Presse, 09.10.04
"Müsste man für kommende Generationen umreißen, was das Phänomen Umberto Eco ausmacht, so könnte man als vergleichbare Größe vergangener Tage den französischen Bestsellerautor Victor Hugo herbeizitieren." Claus Philipp, Der Standard, 09.10.04
"Kaum eine Episode, die sich nicht auch wie ein Stück angewandte Philosophie lesen ließe. Und so haben wir alle Freude an diesem Buch, bei dem wir naiv und gebildet zugleich sein dürfen und uns sogar vom Lesen ausruhen können, denn unzählige Illustrationen machen daraus ein Bilderbuch, so wie wir es als Kinder gerne hatten." Wendelin Schmidt-Dengler, Falter, 22.10.04
"Himmlisch. Nicht jugendfrei und auch nicht als Nachttischlektüre geeignet. ... Ein literarisches Panoptikum, das man eigentlich nur in einem Zug geniessen kann. Aber ein Genuss ist es: Mit dem Buch hat sich Eco definitiv eine Spitzenposition im Olymp der Denker und Dichter gesichert." Facts / Schweiz, 30.09.04
"Das letzte Werk Umberto Ecos bildet zugleich den Höhepunkt seiner Kunst. Es ist Ecos empathischtes, sein persönlichstes, sein überzeugendstens Buch." Alexander Kluy, Rheinischer Merkur, 18.11.04
"Ecos schönster Roman bisher. Eben einer für Büchernarren." Jobst-Ulrich Brand, FOCUS, 6.12.2004
Leseprobe
1. Der grausamste Monat »Und wie heißen Sie?« »Warten Sie, ich hab's auf der Zunge.« So hatte das Ganze angefangen. Ich war wie aus einem langen Schlaf erwacht, aber um mich herum lag alles noch in einem milchigen Grau. Oder ich war gar nicht wach, ich träumte. Es war ein seltsamer Traum: ohne Bilder, nur Töne. Als ob ich nichts sah, nur Stimmen hörte, die mir erzählten, was ich se-hen sollte. Und sie erzählten mir, daß ich noch nichts richtig sah, nur ein nebliges Wabern längs der Kanäle, wo die Landschaft verschwamm. Brügge, sagte ich mir, ich war in Brügge. War ich jemals in der toten Stadt Brügge gewesen? Wo der Nebel zwischen den Türmen wabert wie der träumende Weihrauch? Eine graue Stadt, traurig wie ein chrysanthemenbekränztes Grab, wo der Nebel zerschlissen wie ein alter Wandteppich an den Fassaden hängt. Meine Seele putzte die Scheiben der Trambahnfenster blank, um in den mobilen Nebel der Ampeln zu tauchen. Nebel, mein kontaminierter Bruder. Ein dichter, undurchdringlicher Nebel, der die Geräusche dämpfte und formlose Gespenster auftauchen ließ. Schließlich gelangte ich an einen tiefen Abgrund und sah eine riesenhafte Gestalt, eingehüllt in ein Grabtuch, und die Hautfarbe dieser Gestalt glich dem makellosen Weiß des Schnees. Mein Name ist Arthur Gordon Pym. Ich kaute den Schnee. Die Gespenster zogen vorüber, streiften mich und lösten sich auf. Die fernen Lampen flackerten wie Irrlichter auf einem Friedhof. Jemand geht neben mir, lautlos, als wäre er barfuß, er geht ohne Absätze, ohne Schuhe, ohne Sandalen, ein Nebelschwaden streift mich an der Wange, eine Handvoll Betrunkener grölt unten, am Ende der Fähre. Fähre? Das sage nicht ich, es sind die Stimmen. Der Nebel kommt auf kleinen Katzenpfoten. Es war ein Nebel, der aussah, als hätte man die Welt weggenommen. Und doch war mir ab und zu, als öffnete ich die Augen und sähe Lichter. Ich hörte Stimmen: »Das ist nicht mehr richtiges Koma. Nein, Signora, denken Sie nicht an das flache EEG, ich bitte Sie. Da ist Reaktionsbereitschaft.« Jemand leuchtete mir in die Augen, aber nach dem Licht war es wieder dunkel. Ich spürte den Stich einer Nadel, irgendwo. »Sehen Sie, da ist Bewegungsvermögen.« Maigret taucht in einen so dichten Nebel, daß er nicht einmal sieht, wohin er die Füße setzt. Der Nebel wimmelt von menschlichen Gestalten, er brodelt von einem prallen und geheimnisvollen Leben. Maigret? Elementar, lieber Watson, es sind zehn kleine Negerlein, es ist der Nebel, in dem der Hund von Baskerville verschwindet. Der Vorhang aus grauem Rauch verlor allmählich seine graue Färbung, die Temperatur des Wassers war sehr gestiegen und seine milchige Tönung deutlicher denn je. Dann stürzten wir in die Umarmungen des Katarakts, wo sich ein Abgrund öffnete, um uns zu verschlingen. Ich hörte Leute um mich her reden, ich wollte rufen und ihnen zu verstehen geben, daß ich da war. Ein Sirren war zu hören, als würde ich von einer Foltermaschine mit nadelscharfen Zähnen zerrissen. Ich war in der Strafkolonie. Ich spürte ein Gewicht am Kopf, als hätte man mir die eiserne Maske angelegt. Mir war, als sähe ich hellblaue Lichter. »Da ist Asymmetrie im Durchmesser der Pupillen.« Bruchstücke von Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, sicher wachte ich gerade auf, aber ich konnte mich nicht bewegen. Wenn ich doch nur wach bleiben könnte. Habe ich wieder geschlafen? Stunden, Tage, Jahrhunderte? Der Nebel kam wieder, die Stimmen im Nebel, die Stimmen, die über den Nebel redeten. Seltsam, im Nebel zu wandern! Mir schien, ich schwamm in einem Meer, ich war nahe am Strand, aber ich konnte ihn nicht erreichen. Niemand sah mich, und die Flut trug mich wieder hinaus. Bitte sagt etwas zu mir, bitte berührt mich. Ich spürte eine Hand auf der Stirn. Welche Erleichterung! Eine andere Stimme: »Signora, es gibt Beispiele von Patienten, die plötzlich aufwachen und aus eigener Kraft davonspazieren.« Jemand störte mich mit einem blinkenden Licht, mit einer vibrieren Leseprobe