Beschreibung
Die Saga der Laskers: fulminanter Auftakt der Geschichte einer jüdischen Familie In den französischen Pyrenäen erfährt die Berlinerin Leonie Lasker 1923 erstmals von ihrer jüdischen Herkunft und wird mit einer eigentümlichen Mission betraut: Ihre Urgroßmutter hat Visionen von ungeheurem Leid, das den Juden widerfahren wird, und bittet Leonie, die drei goldenen Buchstaben des hebräischen Wortes "Emeth" (=Wahrheit) zu finden, die auf ihre in Berlin, Wien und Spanien lebenden Brüder verteilt wurden. Die Suche nach dem ersten Zeichen führt Leonie ins Scheunenviertel ihrer Heimatstadt, zum jüdischen Theater ihres Onkels. Als sie sich in den Heldendarsteller Schlomo verliebt, kommt es zum Zerwürfnis mit ihrem völkisch gesinnten Vater. Dann steht das Theater plötzlich lichterloh in Flammen. Entwirft ein farbenprächtiges Zeitpanorama der Zwanzigerjahre Erzählt von einer großen Liebe in unheilvoller Zeit Attraktive Schauplätze Berlin, Wien, Spanien und Südfrankreich Steht in der Tradition von Klaus Kordon und Willi Fährmann
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Leseprobe
PROLOG Unerträglich heiß ist es heute Abend im Theater am Gendarmenmarkt. Letzte Vorstellung vor der Sommerpause. Vor vollem Haus, wie immer. Man gibt »Wilhelm Tell« von Schiller. Gerade hat es das erste Mal zum Ende der Pause geklingelt. Aber die Besucher begeben sich nur zögernd wieder zu ihren Plätzen. Draußen auf der Freitreppe, wo man in die laue Nacht hinaustreten konnte, und auf dem Platz davor, dem weiträumigen Gendarmenmarkt, ging doch wenigstens ein Lüftchen. Und auch jetzt noch unternimmt der eine oder der andere einen Abstecher zum Büfett im Foyer, um vor Beginn des letzten Aktes schnell ein Gläschen Kühles hinunterzustürzen. Leonie Lasker kann so etwas nicht bezahlen. Das Geld reicht immer nur für den billigsten Platz, und darum muss sie sich jetzt auch sofort einen Weg bahnen durch die plaudernden Gruppen, die da noch auf den Gängen herumstehen. Sie muss nämlich nach ganz oben, wo sie einen Stehplatz hat. Einen guten Stehplatz. Und wenn sie die ganzen Treppen hoch ist bis zum Rang, klingelt es bestimmt schon zum letzten Mal. Unten ist das Treppenhaus mit Marmor verkleidet und die Stufen sind mit rotem Teppich belegt. Je höher man kommt, desto schlichter wird es hier im Haus. Nur gestrichene Wände und nackte Stufen. Aber das ist für Leonie nicht wichtig. Hauptsache, sie ist drin in der Vorstellung und kann alles auf der Bühne ganz genau verfolgen. Von schlechten Plätzen kann sie ein Lied singen. Stehplätze, Sitze an der Seite, wo man nur unter den unmöglichsten Verrenkungen gerade mal einen Teil der Bühne sieht; manchmal gelingt es ihr auch, sich an den Schließerinnen vorbeizuschleichen und nach einem unbesetzten Sitz in einer Loge oder im Parkett Ausschau zu halten (immer in Gefahr, entdeckt und hinausbefördert zu werden). Es ist nun einmal so. Als Tochter eines arbeitslosen Vaters kann sie sich nichts Besseres leisten. Aber Theater ist ihr Leben. Oben auf dem Rang, dicht unter der Decke, ist es natürlich am heißesten. Trotzdem hat sie heute Glück: Ihr Platz ist direkt an der Brüstung, und sie kann sich sogar vorbeugen, ohne jemand anderem die Sicht zu nehmen. Und falls ihr die Beine zu sehr schmerzen, kann sie sich für einen Moment auf die Stufen neben sich setzen, wenn ihre Lieblingsschauspieler gerade einmal nicht auf der Bühne sind. Wie oft hat sie den »Tell« in der Inszenierung von Jessner, dem gefeierten Regisseur, schon gesehen? Sechsmal, achtmal? Sie kennt inzwischen jede Geste, jede Nuance der Darsteller. Und den Text weiß sie ohnehin auswendig. Nun lehnt sie am Geländer der Galerie, an ihrem Platz, und sieht hinunter in den Zuschauerraum, der sich langsam mit schwatzenden und lachenden Menschen füllt, blickt sich um. Die Kronleuchter, die schön gegliederten Wände des Saals, geschmückt mit Reliefs von Lorbeer, Masken, Instrumenten, der rote Plüsch der Sitze, der Geruch nach Puder und Parfüm, der in der Luft hängt - all das erfüllt sie mit einer knisternden Spannung, mit einer Vorfreude, die sich jedes Mal wieder einstellt, wenn sie im Theater ist. Ihrem Ort. Der letzte Akt des »Tell« ist ihr besonders lieb. Wenn die Geschichte von der Befreiung der Schweizer, von der Verschwörung der Eidgenossen gegen die österreichische Fremdherrschaft zu ihrem Höhepunkt kommt. Wenn der tyrannische Landvogt von dem Schützen Tell erschossen wird. Wenn das Land seine Freiheit feiert. Auf der Bühne spielt die Creme de la Creme, die besten Schauspieler Berlins - oder sogar ganz Deutschlands? Bassermann gibt den Tell, er spielt ihn nachdenklich und heldisch zugleich, Eduard von Winterstein den Stauffacher, den Kopf der Verschwörung, und Fritz Kortner, Leonies Lieblingsschauspieler, einen unglaublich fiesen und funkelnd kalten Landvogt. (Sie hat schon ein paarmal nach der Vorstellung am Bühnenausgang auf Kortner gewartet und ist ihm mit klopfendem Herzen ein paar Straßenzüge nachgelaufen, wenn er zu Fuß in die Nacht ging. Ihn anzusprechen hatte sie nicht gewagt.) Die Lichter gehen aus, es wird langs Leseprobe