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What Can a Body Do?

Praktiken und Figurationen des Körpers in den Kulturwissenschaften

Erschienen am 14.05.2012, 1. Auflage 2012
29,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593396415
Sprache: Deutsch
Umfang: 436 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 22.8 x 15.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

In den letzten Jahren wurde der Körper zum zentralen Thema in den Kulturwissenschaften. Ausgehend von der Wendung "What can a body do?" (Was vermag ein Körper?) werden in diesem Band sowohl Praktiken (also Handlungs- und Herstellungsweisen) als auch Figurationen (also materialisierte Formen) des Körpers in den Blick genommen. Der ungewöhnliche Band bietet zehn Texte zu Körperpraktiken, die von "Aufführen" über "Essen" bis zu "Sterben" reichen. In 36 Figurationstexten und künstlerischen Arbeiten, vom Avatar über die Leihmutter oder den Radrennfahrer bis hin zum Tanzpaar, wird ein breites Spektrum konkreter Verkörperungen vorgestellt. Da der Band sich aus zwei Richtungen den Verortungen des Körpers in den Kulturwissenschaften annähert, ist er entsprechend als Wendebuch gestaltet: Er kann "auf den Kopf gestellt" und von zwei Seiten gelesen werden. Das Netzwerk "Körper in den Kulturwissenschaften" ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit 2007 geförderter Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen. Ziel war es, die unterschiedlichen Konzeptionen und Begriffe von Körper, wie sie in den Kulturwissenschaften und darüber hinaus kursieren, kritisch zueinander in Bezug zu setzen. Der Band präsentiert die Ergebnisse.

Produktsicherheitsverordnung

Hersteller:
Campus Verlag GmbH
info@campus.de
Werderstr. 10
DE 69469 Weinheim

Autorenportrait

Das Netzwerk Körper sind: Dr. Eva Bischoff, Dr. Uta Fenske, Dr. Henriette Gunkel, Prof. Dr. Michaela Hampf, Dr. Elahe Haschemi Yekani, Ao. Prof. Dr. Arne Klawitter, Dr. Christiane König, Dr. Beate Kutschke, Dr. Gudrun Löhrer, PD Dr. Maren Möhring, Dr. Massimo Perinelli und Dr. Olaf Stieglitz.

Rezension

Der Körper von zwei Seiten

Leseprobe

Die Geschichte der Körper ist die Geschichte ihrer Praktiken. Dies ist gleichsam Perspektive und Herausforderung des vorliegenden Buches. Körper werden in jeweils historisch und kulturell spezifischen Augenblicken hergestellt und konstituieren sich selbst durch eine Reihe von Techniken, welche die Körper auf unterschiedliche Weisen in Bewegung setzen und die körperlichen Bewegungen regulieren oder auch unterbinden. Die Art und Weise, wie sich Körper in Beziehung zueinander setzen und zu der Welt, in die sie eingelassen sind, ist eine agierende. In der Weise, wie Körper gehen, wie Körperteile funktional Aufgaben übernehmen oder sich scheinbar dysfunktional den Produktionsprozessen entziehen, in der Weise, wie Körper atmen, tanzen, frieren oder Lust empfinden, sich zusammenziehen oder öffnen, krank werden, sich formen und umgestalten, sich schmücken, in der Weise, wie sie kämpfen oder erstarren, sich zurückziehen oder aber sich in das alltägliche Handgemenge werfen, bilden sich die gesellschaftlichen Verhältnisse heraus, in denen wir alle handeln. Körper tun etwas, und dieses Tun bringt in seiner sozioökonomischen, kulturellen, politischen, historischen, technischen oder raumzeitlichen Spezifik den Menschen hervor, der sowohl diesen Körper hat und der gleichzeitig dieser Körper ist. Dem Körper ist immer ein Vermögen, eine Potenzialität eigen, und ein Nachdenken über den Körper muss sich folglich mit der Frage beschäftigen, was Körper tun beziehungsweise welches Handlungsvermögen, welche agency sie beherbergen. Die in diesem Buch vorgenommene räumliche und zeitliche Begrenzung auf die Geschichte der westlichen Moderne soll indes keine eurozentrische Sichtweise reaffirmieren, sondern vielmehr die gewohnten und machtvollen Denkmuster veruneindeutigen und zur Disposition stellen. Diese kritische praxis- beziehungsweise handlungsorientierte Sicht auf den Körper lässt sich in doppelter Weise realisieren. Einerseits kann mit Michel Foucault danach gefragt werden, aus welcher historischen Situation eine urgence - eine gesellschaftliche Dringlich- und Notwendigkeit - entsteht, Körper entsprechend einer "Strategie ohne Strategen" (Foucault 1978: 132) zu disziplinieren und als Subjektkörper hervorzubringen. Ob es die monotonen Handgriffe des Massenarbeiters und der -arbeiterin während der Industrialisierung sind, das Stillsitzen der Schüler_innen in der panoptischen Anordnung des Klassenzimmers in der modernen Institution Schule, das Strammstehen der Soldaten beim Militär, das Einschnüren der weiblichen Körper in die Korsetts des viktorianischen Zeitalters, die über der Bettdecke festgebundenen Hände der feucht-träumenden Adoleszenten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die sich im Fitnessstudio schindenden weiblichen und männlichen oder die durch chirurgische Eingriffe modifizierten Körper insbesondere in der heutigen Zeit - immer sind es konkrete Praktiken, die auf den Körper einwirken und durch ihn das Subjekt hervorbringen, das sich mit diesem Körper selbst-identisch denkt und empfindet oder aber sich in seinem Körper fremd fühlt. Und dennoch setzen die Körper, gemäß Foucaults Gedanken von der Zerstreutheit der Mächte, den Regulierungsbewegungen stets ihr eigenes Potenzial entgegen. Nie ist der Körper nur passive Einschreibefläche oder auch stabiles Resultat der Praktiken, die ihn zu regulieren versuchen. Er ist aufgrund seiner ihm eigenen Potenzialität immer mehr, immer anders als jene eindeutig lesbare Einheit, die die Praktiken der Disziplinierung und Regulierung zu konstituieren suchen. Im Denken über Körper aus einer praxis- beziehungsweise handlungsorientierten Perspektive gehen wir also von der Idee des prozesshaften Drängens der multiplen, vielfältigen Körper aus. Die foucaultsche Diskursanalyse und die Performativitätstheorie von Judith Butler nehmen vor allem in den Blick, auf welche Subjektpositionen Körperpraktiken zulaufen. Im Gegensatz dazu spüren Gilles Deleuze und Félix Guattari, sehr konsequent und radikal gedacht, jenen Praktiken hinterher, die aus den konstituierten Subjekten herausweisen, diese unterlaufen oder schlicht verfehlen. Wenn sich also mit Foucault und Butler die Verfestigung beziehungsweise Sedimentierung der Diskurse als und durch Körper bestimmen lässt, kann mit Deleuze/Guattari ihre Verflüssigung nachvollzogen werden. Dieser Ansatz definiert Begehren nicht auf einem Mangel beruhend, wie es in den psychoanalytischen Theorien Tradition ist, sondern sieht in ihm zunächst den nicht-diskursiven Wunsch nach körperlicher, nicht-strukturierter Verbindung, Entgrenzung und Verwandlung. Damit zeigt er sich an den Instabilitäten und letztlich an den widerständigen Effekten von Körperpraktiken interessiert, an Praktiken, die sich nicht in der Herstellung von nützlichen, funktionalen Körpern und Subjekten erschöpfen, sondern sich quer zu den Strukturen und Machtlinien der Dispositive vollziehen und deren größtes Potenzial darin besteht, ganz eigene Logiken und letztlich eigene temporäre Wahrheiten hervorzubringen. Gerade die Geschichte solcher Praktiken ist schwer zu schreiben, da für sie, verborgen in den Nischen und heterotopischen Orten innerhalb und gleichzeitig außerhalb der Wissensordnungen, kein Platz in den Findbüchern der Archive vorgesehen ist. Sie ist auch deshalb so schwer zu schreiben, weil sie sich den in den Disziplinen üblichen Dichotomien von Diskurs und Materie, von Subjekt und Objekt, von Denken und Handeln, von Struktur und Individuum, von Macht/Unterdrückung und Widerstand verweigert beziehungsweise diese durchquert. Für uns kann es sich daher nur um eine Annäherung an diese Praktiken handeln. Ein Buch über Körper wie das vorliegende, dem eine Vorstellung vom Körper als doing body, als einer ausdrücklich mit agency versehenen Entität zugrunde liegt, kann deshalb nicht von Figurationen ausgehen. Zwar impliziert der Begriff Figuration bereits das Prozessuale und die Beweglichkeit und wird - wie etwa in den Theater- und Literaturwissenschaften - abgrenzend von der statisch konzipierten Figur abgeleitet. In diesen Disziplinen bringt der Begriff der Figuration Körper und Zeichen, Materie und Bedeutung in eine Bewegung, die nicht vollständig kontrollierbar ist. Dennoch steht hinter dem Konzept der Figuration, auch wenn ihr Potenzial der Transgression wahrgenommen und anerkannt wird, zumeist die gedankliche Annahme von einer scheinbaren Notwendigkeit zur Konsolidierung, auf die sowohl diskursive als auch nicht-diskursive Praktiken stets zuzulaufen scheinen. Aus dieser Perspektive würde dann aber der Blick auf die multiplen Fähigkeiten von verschiedenen gesellschaftlichen Typen, die eigene Form zu überschreiten und andere körperliche und damit gesellschaftliche Realitäten zu bilden, verstellt werden. Von der Warte der prozess- und konflikthaften Potenzialität der Körper aus speisen sich Verfestigungen und Verflüssigungen hingegen stets aus den Bewegungen des Werdens. Diese Bewegungen stehen quer zur Dichotomie nicht-diskursiver und diskursiver Praktiken und sind immer Handlungen, Drängen und Wunsch, die manchmal reguliert, manchmal aber zu völlig neuen Figurationen und Wahrheiten werden können. Im Denken über Körper existiert somit nicht nur eine Differenz zwischen verfestigenden und verflüssigenden Praktiken, sondern insbesondere eine radikale Differenz zwischen deterritorialisierenden Praktiken des Werdens und reterritorialisierten Figurationen des Seins, die Claire Parnet eindrücklich formuliert: "Es gibt Linien, die sich nicht auf die Verlaufsbahn eines Punktes reduzieren lassen, die sich der Struktur entwinden: Fluchtlinien, Werden ohne Zukunft und ohne Vergangenheit, ohne Gedächtnis, die der Binärmaschine erfolgreich Widerstand entgegensetzen []. Nicht-parallele Entwicklungen, die nicht über Differenzierung verlaufen, sondern von einer Linie zu einer anderen springen, zwischen gänzlich heterogenen Wesen; Risse, unmerkliche Brüche, die die Linien aufreißen, auf die Gefahr hin, daß diese an...

Inhalt

Figurationen Inhalt Danksagung 11 Einleitung Figurationen Christiane König, Massimo Perinelli und Olaf Stieglitz (für das Netzwerk) 13 ArbeitsloseR Timo Skrandies 19 Avatar Claude Draude 26 Beauty Queen Gabriele Dietze 34 Bodybuilder Jörg Scheller 41 Butch Eveline Kilian 47 Digitalkörper Claudia Reiche 54 Ernährer Felix Krämer 60 Flaneur_in Martin Rumori 67 Folterin M. Michaela Hampf 74 Großwildjäger Elahe Haschemi Yekani 83 Handsprecher Ulrike Bergermann 89 Heuchler Ute Seiderer 95 Hungernde Marcel Streng 101 Jesus Simon Strick 109 Kaspar-Hauser-Kind Arne Klawitter 116 Kellnerin Emma Dowling 122 Muster 1 und Muster 4 Karin Lingnau 129 The Girls' Rooms Pia Lanzinger 132 Replika Susanna Schoenberg 136 Klon Christiane König 138 Kokser Tim Stüttgen 144 Kriegsversehrter Ana Carden-Coyne 157 Leihmutter Bettina Bock von Wülfingen 166 Pheromonist_in Anna Sieben 173 Pornodarsteller_in Stephen Maddison 180 Posthumane Doro Wiese 185 Punk Bodo Mrozek 191 Radrennfahrer Michael Gamper 197 Schwindsüchtige Gudrun Löhrer 203 Sekretärin Heide Volkening 206 StrandurlauberIn Virginia Richter 211 Tanzpaar Astrid Kusser 217 Verjüngter Heiko Stoff 224 Wasserleiche Uta Fenske 230 Wunschkind Sven Bergmann 236 Zocker Britta Neitzel 243 Praktiken Inhalt Danksagung 9 Einleitung Praktiken Christiane König, Massimo Perinelli und Olaf Stieglitz (für das Netzwerk) 11 Arbeiten Gudrun Löhrer 16 Aufführen Elahe Haschemi Yekani, Arne Klawitter und Christiane König 30 Essen Maren Möhring 47 (Sich) Fortbewegen Elahe Haschemi Yekani und Henriette Gunkel 57 Modifizieren Eva Bischoff 70 Reproduzieren Christiane König 83 Sex haben/Sex machen Henriette Gunkel und Olaf Stieglitz 97 Sport treiben Uta Fenske und Olaf Stieglitz 111 Sprechen Arne Klawitter 127 Sterben Uta Fenske und M. Michaela Hampf 140 Literatur 157

Schlagzeile

Der Körper von zwei Seiten

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