Beschreibung
Jenseits von Gut und Böse, kein Gutes, kein Böses - hieße dies nicht einfach: amoralisch? Welche Philosophie könnte ein Nichtvorhandensein von Moral vertreten? Für den 'freien Denker' Friedrich Nietzsche sind Gegensatzpaare wie das vom Guten und Bösen eine Erfindung schwacher Menschen, die hoffen, so der Willkür der Stärkeren entgehen zu können. Der Philosoph analysiert den Unterschied zwischen der 'Sklavenmoral', also der Moral von Menschen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis leben und sich durch eine allgemein verbindliche Moral zu schützen suchen, und der 'Herrenmoral', welche sich ihre Wertmaßstäbe selbst setzt. 'Jenseits von Gut und Böse' ist rhetorisch und ästhetisch brillant verfasst und gilt in seiner sprachlichen Schärfe als eines der wichtigsten oder gar gefährlichsten Werke Nietzsches. Seine Schriften übten entscheidenden Einfluss auf die Sozial- und Geisteswissenschaften sowie die Künste der folgenden Jahrhunderte aus.
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Leseprobe
Von den Vorurteilen der Philosophen 1 Der Wille zur Wahrheit, der uns noch zu manchem Wagnisse verführen wird, jene berühmte Wahrhaftigkeit, von der alle Philosophen bisher mit Ehrerbietung geredet haben: was für Fragen hat dieser Wille zur Wahrheit uns schon vorgelegt! Welche wunderlichen schlimmen fragwürdigen Fragen! Das ist bereits eine lange Geschichte - und doch scheint es, daß sie kaum eben angefangen hat? Was Wunder, wenn wir endlich einmal mißtrauisch werden, die Geduld verlieren, uns ungeduldig umdrehn? Daß wir von dieser Sphinx auch unsrerseits das Fragen lernen? Wer ist das eigentlich, der uns hier Fragen stellt? Was in uns will eigentlich 'zur Wahrheit'? - In der Tat, wir machten lange halt vor der Frage nach der Ursache dieses Willens - bis wir, zuletzt, vor einer noch gründlicheren Frage ganz und gar stehenblieben. Wir fragten nach dem Werte dieses Willens. Gesetzt, wir wollen Wahrheit: warum nicht lieber Unwahrheit? Und Ungewißheit? Selbst Unwissenheit? - Das Problem vom Werte der Wahrheit trat vor uns hin - oder waren wirs, die vor das Problem hintraten? Wer von uns ist hier Ödipus? Wer Sphinx? Es ist ein Stelldichein, wie es scheint, von Fragen und Fragezeichen. - Und sollte mans glauben, daß es uns schließlich bedünken will, als sei das Problem noch nie bisher gestellt - als sei es von uns zum ersten Male gesehn, ins Auge gefaßt, gewagt? Denn es ist ein Wagnis dabei und vielleicht gibt es kein größeres. 2 'Wie könnte etwas aus seinem Gegensatz entstehn? Zum Beispiel die Wahrheit aus dem Irrtum? Oder der Wille zur Wahrheit aus dem Willen zur Täuschung? Oder die selbstlose Handlung aus dem Eigennutze? Oder das reine sonnenhafte Schauen des Weisen aus der Begehrlichkeit? Solcherlei Entstehung ist unmöglich; wer davon träumt, ein Narr, ja Schlimmeres; die Dinge höchsten Wertes müssen einen andern, eignen Ursprung haben - aus dieser vergänglichen verführerischen täuschenden geringen Welt, aus diesem Wirrsal von Wahn und Begierde sind sie unableitbar! Vielmehr im Schoße des Seins, im Unvergänglichen, im verborgnen Gotte, im Ding an sich - da muß ihr Grund liegen, und sonst nirgendswo!' - Diese Art zu urteilen macht das typische Vorurteil aus, an dem sich die Metaphysiker aller Zeiten wiedererkennen lassen; diese Art von Wertschätzungen steht im Hintergrunde aller ihrer logischen Prozeduren; aus diesem ihrem 'Glauben' heraus bemühn sie sich um ihr 'Wissen', um etwas das feierlich am Ende als 'die Wahrheit' getauft wird. Der Grundglaube der Metaphysiker ist der Glaube an die Gegensätze der Werte. Es ist auch den Vorsichtigsten unter ihnen nicht eingefallen, hier an der Schwelle bereits zu zweifeln, wo es doch am nötigsten war: selbst wenn sie sich gelobt hatten 'de omnibus dubitandum'. Man darf nämlich zweifeln, erstens, ob es Gegensätze überhaupt gibt, und zweitens, ob jene volkstümlichen Wertschätzungen und Wert-Gegensätze, auf welche die Metaphysiker ihr Siegel gedrückt haben, nicht vielleicht nur Vordergrunds-Schätzungen sind, nur vorläufige Perspektiven, vielleicht noch dazu aus einem Winkel heraus, vielleicht von unten hinauf, Frosch-Perspektiven gleichsam, um einen Ausdruck zu borgen, der den Malern geläufig ist? Bei allem Werte, der dem Wahren, dem Wahrhaftigen, dem Selbstlosen zukommen mag: es wäre möglich, daß dem Scheine, dem Willen zur Täuschung, dem Eigennutz und der Begierde ein für alles Leben höherer und grundsätzlicherer Wert zugeschrieben werden müßte. Es wäre sogar noch möglich, daß was den Wert jener guten und verehrten Dinge ausmacht, gerade darin bestünde, mit jenen schlimmen, scheinbar entgegengesetzten Dingen auf verfängliche Weise verwandt, verknüpft, verhäkelt, vielleicht gar wesensgleich zu sein. Vielleicht! - Aber wer ist willens, sich um solche gefährliche Vielleichts zu kümmern! Man muß dazu schon die Ankunft einer neuen Gattung von Philosophen abwarten, solcher, die irgendwelchen andern, umgekehrten Geschmack und Hang haben als die bisherigen - Philosophen des gefährlichen Vielleicht in jedem Verstande. - Und allen Ernstes gesprochen: ich sehe solche neue Philosophen heraufkommen.
Inhalt
Vorrede
Von den Vorurteilen der Phillosophen
Der freie Geist
Das religiöse Wesen
Sprüche und Zwischenspiele
Zur Naturgeschichte der Moral
Wir Gelehrten
Unsere Tugenden
Völker und Vaterländer
Was ist vornehm?
Aus hohen Bergen