Beschreibung
Die Beiträge des vorliegenden Jubiläum-Jahrbuchs spiegeln den Pluralismus der aktuellen Beschäftigung mit Lukács Werk, das Philosophie, Literatur und Kunst ebenso umfasst wie Ideologie und Politik. Denis Maier und Erich Hahn erschließen bislang eher unbeachtete Aspekte; Lukács Verhältnis zum Judentum, zu Antisemitismus, Shoa bzw. seine Kritik der Religion als Ideologie werden zum Untersuchungsgegenstand. Jürgen Meier überrascht, indem er den Humanismus von Lukács mit dem von Erich Fromm und Albert Schweitzer korreliert. Dem noch immer zu wenig erschlossenen Ontologie-Projekt widmen sich F.O. Wolf und Hans-Christoph Rauh sowie Guido Oldrini und Michael Thompson. Auffällig ist hier, dass die deutschen Autoren anders als ihre Kollegen kaum Anstalten machen, die Stärken der Spätphilosophie - zumal in ethischer Hinsicht - zu verdeutlichen. Einen Interessensschwerpunkt bildet natürlich weiterhin Lukács Frühwerk. Während Ágnes Heller (dabei Judith Butlers Versuch in mancherlei Hinsicht ähnlich) sich Die Seele und die Formen zuwendet, fokussieren sich die Arbeiten von Axel Honneth, Engster, Kavoulakos, Caysa/Tietz auf den Lukács der zwanziger Jahre. Hierbei sind die unterschiedlichen Akzentuierungen relevant: Setzt der Frankfurter Philosoph seine Bemühungen um eine kritische Aktualisierung des Verdinglichungs-Paradigmas fort, so pointiert Kavoulakos die Stärken des geschichtsphilosophischen Ansatzes seit Taktik und Ethik; Frank Engster arbeitet den Ereignis-Status von Geschichte und Klassenbewußtsein mit einiger Empathie heraus; Caysa/Tietz wägen Lukács Adaption des altehrwürdigen Topos des Gewaltrechts des Guten fair ab. Die politisch-philosophische Debatte um Lukács späte Demokratisierungsschrift setzt Stefan Bollingers klug-abwägender Beitrag fort. Dem literaturwissenschaftlichen Werkaspekt widmen sich Dieter Schiller und Christoph Henning. Lukács Briefwechsel nach 1917 ist weithin unpubliziert. Die Veröffentlichung der Materialien von David Kettler ist ein Beitrag, diesem Missstand ein Ende zu bereiten, dem in den nächsten Jahrbüchern weitere folgen sollen.
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Leseprobe
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Inhalt
Frank Benseler/Rüdiger Dannemann: Vorwort. Georg Lukács zum 125. Geburtstag
Originaltexte, Dokumente
Georg Lukács und David Kettler: Briefwechsel und Dokumente. Introduction by David Kettler
Philosophie
Axel Honneth: Nachbetrachtung zur „Verdinglichung“
Michael J. Thompson: Toward an Objective Ethics: Lukács’ Ontology and Contemporary Moral Philosophy
Konstantinos Kavoulakos: Zur Rekonstruktion der Lukácsschen Geschichtsphilosophie der 20er Jahre
Frank Engster: Das Selbstbewusstsein der Ware Arbeitskraft. Lukács’ Idee einer kommunistischen Revolutionierung des Kapitalismus durch das identische Subjekt-Objekt der Geschichte
Guido Oldrini: Die ethische Perspektive von Lukács’ Ontologie
Tom Rockmore: Lukács and the End of Hegelian Marxism
Hans-Christoph Rauh: Ontologie als Erneuerungsversuch des Marxismus?
Frieder Otto Wolf: Die Tragfähigkeit der Wendung zur Ontologie: Lukács’ Kapital-Lektüre
Literatur und Kunst
Ágnes Heller: Bei Gelegenheit von & Die Seele und die Formen
Christoph Henning: Ästhetik und Politik. Die Gegenwartsbedeutung des ästhetischen Werkes von Georg Lukács
Dieter Schiller: Lukács im Streit um den proletarischen Roman in der „Linkskurve“
Gábor Gángó: Georg Lukács in Polen. Perspektiven der Rezeptionsgeschichte
Ideologie und Politik
Volker Caysa/Udo Tietz: Das Gewaltrecht des Guten im Lichte unserer Erfahrungen
Denis Maier: Totalität und Erfahrung. Shoah und Antisemitismus im Denken von Georg Lukács
Erich Hahn: Religion und Ideologie in der ‚Ontologie des gesellschaftlichen Seins‘
Jürgen Meier: Echte Individualisten – Lukács, Fromm und Schweitzer
Stefan Bollinger: Realsozialismus und Realkapitalismus – das Demokratieproblem
Rezension
Stages Along Life’s Way. Ferenc L. Lendvai. A fiatal Lukács (Útja Marxhoz: 1902-1918). [The Young Lukács (His Road to Marx: 1902-1918)] von Lee Congdon
Anhang
Unruhe im Lukács-Archiv – ein Politikum im Umfeld der aktuellen Ungarn-Debatten? Eine dringliche Anfrage
Pressemitteilung
Erklärung aus Anlass der krisenhaften Lage in Ungarn