Beschreibung
Es ist Philipp Rödings zweiter Erzählband bei Luftschacht Verlag. Nach den beiden Romanen Die Möglichkeit eines Gesprächs und
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Hersteller:
Luftschacht e.U.
Jürgen Lagger
notizen@luftschacht.com
Malzgasse 12/2
AT 1020 Wien
Rezension
»Zieht man [neben Leif Randt und Joshua Groß] noch Juan S. Guse hinzu, könnte man durchaus von einer Riege pointierter Chronisten unserer unheilvoll aufgeladenen Gegenwart sprechen, in die sich Röding mit
elegant einreiht.« DIE ZEIT über
»Philipp Röding berührt auf nackte Weise zynisch-zerbrechlich – Sybille Berg meets David Foster Wallace plus eine Prise new Journalism. «LIFT über
»Es ist ein Existenzialismus ohne Dringlichkeit, der durch diese fragmentierten Passagen unausgefüllter Sattheit weht. Während Bilder des nackten Überlebens über den Bildschirm flimmern, spüren sich die Protagonisten nicht mehr. Ein Gefühl der Verlorenheit ist allgegenwärtig und es ist das, was am Ende des Textes übrig bleibt.
entwirft ein Bild eines dekadenten Festmahls auf dem Gipfel eines unheilvoll brodelnden Vulkans.« SCHMIERTIGER.DE über
Leseprobe
Sie wartet Tage und Wochen in dem abgelegenen Ort an der Küste. Sie wartet darauf, dass etwas geschieht. Etwas, das die Reise hierher wert ist. Die Vormittage verbringt sie mit körperlichem Training. Mit dem Reinigen der Kameraausrüstung. Sie macht Klimmzüge an einem der Balken im Bungalow und Liegestütze und Planks auf der Teakholz-Veranda. Sie sieht zu, wie sich die Muskeln unter ihrer Haut zusammenziehen und wieder entspannen. Nachmittags spaziert sie über den Dorfplatz und inspiziert die von den Händlern angebotenen Waren. Sie kauft eine Papaya und spuckt die Kerne vor sich auf den Boden. Seit Tagen geht sie barfuß. Es gibt Gründe, denkt sie, Gründe für alles. Sie geht tief in den angrenzenden Buschwald hinein und betrachtet die hiesige Flora. Sie denkt über Èric Rohmer nach. Über die Landschaftsaufnahmen in Das grüne Leuchten. Auf der Insel ist alles Mögliche verboten. Fady, sagen die Einheimischen. Es ist Fady, die Lemuren zu berühren. Es ist Fady, mit dem Finger auf Gräber zu deuten, im Stehen zu essen oder sich bestimmten, heiligen Baobab-Bäumen bis auf wenige Schritte zu nähern. Es ist Fady, die Zebus zu filmen, da die empfindsamen Tiere durch den Akt des Filmens ihrer Seele beraubt werden könnten. Die Zebu-Seele stellt sie sich als etwas Glattes, Gebogenes vor, das sich als umrissloses Flimmern an den äußeren Rändern des Filmstreifens niederschlägt. Sie geht durch den Buschwald und denkt über Hotelzimmer nach. Über Telefone, die mitten in der Nacht in den Lobbys der allerschäbigsten New Yorker Hotels zu klingeln beginnen, obwohl die Anschlüsse seit Jahrzehnten nicht mehr verbunden sind. Mit einem Stock schiebt sie ein riesiges, von fingerdicken Adern durchzogenes Blatt zur Seite und denkt über einen Mann nach, den sie vor Jahren im Frühstücksraum eines Hotels in Harlem antraf. Es war tiefster Winter. Der Schlaf lag wie eine Lawine auf ihr. Das Schaben der Räumfahrzeuge auf dem Asphalt und das bläuliche Leuchten des Fernsehgeräts hatten sie aufgeweckt. Der Himmel hatte die Farbe sibirischen Marmors angenommen. Sie hatte eine sehr frühe Verbindung nach Pittsburgh gebucht und dann von dort einen Transatlantikflug nach Heathrow. Der frühe Wecker und der Gedanke an die bevorstehende Reise hatten sie unruhig schlafen lassen. Als sie die Augen öffnete, war im Fernseher ein Ausschnitt der amerikanischen Ostküste zu sehen: Comicwolken und riesige Eiskristalle, die sich vom Atlantik her näherten.