Beschreibung
Boccaccios Rückkehr in Zeiten von Corona? Marko Martin, Schriftsteller und Weltreisender, misstraut jedoch den großen Gesten und erzählt stattdessen ebenso gewitzt wie sprachspielerisch Geschichten vom (gleichgeschlechtlichen) Eros - aus Tokyo und Jerusalem, aus Marseille und Rio de Janeiro, wo auch die drei titelgebenden "Unschuldigen" leben. Eskapismus? Mitnichten. Wo der Autor doch auch alles andere als ein Don Juan ist, sondern ein empathischer Chronist nur scheinbar fremder Lebenswirklichkeiten, in denen man sich allzu oft auch rigider Traditionen erwehren muss. Hinzu kommt, und der Leser erfährt es peu à peu: Dieses Buch erzählt nicht nur von Lust, sondern wagt letztlich noch ungleich mehr - Bericht zu geben von einer Lebensliebe.
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Autorenportrait
Marko Martin lebt, sofern nicht auf Reisen, als Schriftsteller in Berlin. In der Anderen Bibliothek erschienen die Erzählbände "Schlafende Hunde" und "Die Nacht von San Salvador", an die sein jetziges Buch thematisch anknüpft. Seinen literarischen Tel Aviv- und Südafrika-Tagebüchern folgte, ebenfalls in der Anderen Bibliothek, der Essayband "Dissidentisches Denken" sowie (im Tropen Verlag) "Die verdrängte Zeit. Vom Verschwinden und Entdecken der Kultur des Ostens". Mit "Das Haus in Habana. Ein Rapport" stand Martin 2019 auf der Shortlist des Essaypreises der Leipziger Buchmesse.
Rezension
[…] Eingebettet in diese Prosatexte, die nicht von „Identitätspolitik“ erzählen, sondern von individuellem Wagemut und Renitenz gegenüber repressiven Kollektiven: Dialoge zwischen dem Ich-Erzähler und seinem Lebenspartner, dem nicht der Sinn danach steht, sich als „Schwarze Person“ selbst zu reduzieren, sondern der ebenso gutgelaunt wie provokant so manches zum Besten gibt über die Heucheleien und Verquältheiten des hiesigen Kulturbetriebs. Wir wünschen gute Lektüre!
– Redaktion Salonkolumnisten
Leseprobe
Er zog die Tür auf und betrat einen schmalen, mit einem Teppich belegten Vorraum. Links von ihm, hinter einer Glasscheibe befand sich die Kasse, fast verborgen unter einem grün bedruckten Bambusvorhang. Unter dem Saum des Vorhangs entdeckte er zwei schneeweiße Hände. Er beugte sich hinunter und sagte in Richtung der daraufhin panisch zurückweichenden Finger ein herzliches Hello. Panisch/japanisch, dachte er in der Schrecksekunde, die darauf folgte. "Twenty-thousand Yen", sagte irgendwann die unsichtbar bleibende, zu den Händen gehörende Stimme und setzte dann in harter Modulation hinzu: "Today: Naked party!" "Okay", antwortete er ebenso knapp, sich zurückbeugend und vor der Glasscheibe wiederaufrichtend, sich dabei ebenfalls in ein Paar anonym beweglicher Hände verwandelnd. Plötzlich dachte er an Shogun, den er an Abenden vor einem Vierteljahrhundert zusammen mit seinen Eltern im ZDF gesehen hatte: Richard Chamberlain (von dessen Geheimnis man damals noch nichts wusste) in einer mittelalterlichen Welt voll Schwerter schwingender Samurai, die ohne Unterlass Hai! bellten. Today: naked party! Wieder einmal fühlte er seine mangelnde Ernsthaftigkeit. Diese beinahe vollständige Abwesenheit einer Nachtseite, des dunklen Triebs! Würde so jemals ein richtiger Erotiker aus ihm werden, ein auf abendländische Weise ebenfalls höllisch disziplinierter Dompteur der Zeichen und Chiffren, anstatt dass er dieser dummdreiste Gassenjunge blieb, jeder Assoziation und Anspielung wie einer großen weißen Gans hinterherlaufend, um sie dann triumphal feixend in sein Gehege der exotischen Begegnungen zu sperren? (Oh, wie viel Angriffsflächen er bot, ästhetische, intellektuelle mehr noch als moralische Möglichkeiten der Schelte, wüsste man um seine Aktivitäten.)