Beschreibung
Die „Krise der Politik“, der „Mangel an Glaubwürdigkeit“, der „Verlust an Vertrauen“
– diese Stichworte sind zur Zeit in aller Munde und 1992 avancierte
der Begriff „Politikverdrossenheit“ sogar zum Wort des Jahres. Die Diagnose
ist demnach eindeutig, doch wie sollen Politiker und Gesellschaft mit diesem
Problem umgehen? Gesine Schwan widmet sich in ihren Ausführungen dieser
schwierigen Frage. Mit Hilfe einer ideengeschichtlichen Rückbesinnung verdeutlicht
sie den kategorialen Zusammenhang von Vertrauen und Politik: Erst
auf der Basis von Vertrauen wird Freiheit möglich und Zwang entbehrlich und
somit stellt Vertrauen eine Grundbedingung des politischen Zusammenlebens
dar. Doch Vertrauen bedeutet keine auf Wissen beruhende Sicherheit
und ist insofern ein Wagnis. Vertrauen in der Politik verlangt demnach nach
Kontrolle, es muss eine Balance geben zwischen der Möglichkeit, Vertrauen
zu schenken, und der Notwendigkeit, Kontrolle auszuüben.
Eine wesentliche Ursache für den seit einigen Jahren zu beobachtenden Verlust
von Vertrauen in unserer Gesellschaft sieht Gesine Schwan in der Kolonialisierung
aller Lebensbereiche durch das Prinzip des ökonomischen Wettbewerbs
und plädiert deshalb dafür, die reine Marktlogik nicht auf alle gesellschaftlichen
Bereiche auszudehnen, sondern die Eigenlogik von Teilsystemen
innerhalb des großen Ganzen anzuerkennen.
Autorenportrait
Prof. Dr. Gesine Schwan, 1943 in Berlin geboren, studierte in Berlin und in
Freiburg/Breisgau sowie zur Vorbereitung ihrer Dissertation in Warschau und
Krakau. Nach der Promotion erhielt sie eine Assistenz-Professur an der Freien
Universität Berlin, wo sie sich 1975 habilitierte. Ab 1977 lehrte sie als Professorin
für Politikwissenschaft an eben dieser Universität und setzte ihre
Schwerpunkte in den Feldern Theorien des Sozialismus, Demokratietheorien
und politische Kultur. Zahlreiche Forschungsaufenthalte führten sie vor allem
in die USA, aber auch nach Großbritannien. Frau Schwan beschränkte ihre
Aktivitäten nicht auf die universitäre Forschung, sondern sie suchte schon
früh die Verbindung von Wissenschaft und Praxis: Als Mitglied der Grundwertekommission
beim Parteivorstand der SPD, als Präsidentin der Europa-Universität
Viadrina in Frankfurt/Oder oder 2004 als Kandidatin für das Amt des
Bundespräsidenten setzte sie Akzente in der politischen Diskussion.