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Fortschritt

Zur Erneuerung einer Idee, Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie 26

Erschienen am 08.03.2018, 1. Auflage 2018
24,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593507484
Sprache: Deutsch
Umfang: 174 S.
Format (T/L/B): 1.1 x 21.3 x 14 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Gerade in diesen Tagen stellt sich immer wieder die Frage, ob die Geschichte eine Fortschrittsgeschichte sei. Seit der Aufklärung, so die These dieses Buches, hat sich ein Fortschrittsglaube in der Geschichte der Menschheit etabliert. Ereignisse wie die Industrielle Revolution oder die Französische Revolution waren bedeutende Stationen auf diesem Weg. Allerdings wurde der Glaube an den Fortschritt seit den späten 1970er- Jahren erschüttert. Was war geschehen? Und wie lässt sich ein Mittelweg zwischen dem anmaßenden Selbstbewusstsein der Vergangenheit und der Orientierungslosigkeit der Gegenwart finden? Peter Wagner widmet sich nicht nur diesen Fragen, sondern denkt auch die Idee des Fortschritts neu.

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Hersteller:
Campus Verlag GmbH
info@campus.de
Werderstr. 10
DE 69469 Weinheim

Autorenportrait

Peter Wagner ist Forschungsprofessor für Sozialwissenschaften am Katalanischen Institut für Forschung und höhere Studien (ICREA) und an der Universität Barcelona.

Rezension

»Ein […] wichtige[r] Anstoß für eine längst überfällige gesellschaftspolitische Debatte.« Prof. Dr. Hartmut Rosa, Soziologische Revue, 07.01.2021

Leseprobe

Vorwort Wir leben, so scheint es, in hoffnungslosen Zeiten; kaum jemand, weder die Anhänger sozialer Bewegungen noch die politischen Funktionsträger, besitzt heute offenbar noch eine tatkräftige Vorstellung zukünftigen Fortschritts. Es bedarf kaum erst einer Rückerinnerung an all die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Erschütterungen der vergangenen Jahrzehnte, um sich zu erklären, warum uns inzwischen jede Zuversicht bezüglich einer weiteren Verbesserung unserer Lebensumstände abhandengekommen ist; sofern wir uns überhaupt auf die Zukunft besinnen, operieren wir dabei vornehmlich mit der Vorstellung, weitere gesellschaftliche Verschlechterungen zu verhindern, nicht aber mit Ideen möglicher Fortschritte in der Gestaltung unserer gesellschaftlichen Lebensbedingungen. Es ist diese Situation einer lähmenden Orientierungslosigkeit und Zukunftsverdrossenheit, in die Peter Wagner mit seiner kleinen Schrift eingreifen möchte; was er auf den folgenden 160 Seiten unternimmt, ist nichts Geringeres, als in Vergegenwärtigung des modernen Freiheitsversprechens und mit Blick auf die herrschenden Sozialverhältnisse eine realistische, uns zum politischen Handeln motivierende Idee möglichen Fortschritts zurückzugewinnen. Als ein politischer Theoretiker mit großem Gespür für ideengeschichtliche Zusammenhänge, der bahnbrechende Schriften zur Dynamik, Zweischneidigkeit und Pluralität moderner Gesellschaften verfasst hat, ist Peter Wagner für diese schwierige Aufgabe bestens gewappnet; er kennt sich mit den Gründungsideen der Moderne ebenso gut aus wie mit dem Schicksal, das ihnen im Prozess ihrer sozialen Verwirklichung widerfahren ist - und uns im Institut für Sozialforschung ist es eine besondere Freude, mit der vorliegenden, ursprünglich auf Englisch verfassten Studie den hochaktuellen Beitrag eines langjährigen Mitglieds unseres Interna­tionalen Wissenschaftlichen Beirats in unserer Schriftenreihe veröffentlichen zu können. Peter Wagner holt zunächst historisch weit aus, um uns vor Augen zu führen, wie fern uns heute die Fortschrittshoffnungen der beginnenden Moderne gerückt sind. Damals, zu Zeiten der Aufklärung, herrschte in den Ländern des europäischen Westens allgemein die starke Zuversicht, weltweit würde sich in der näheren Zukunft schon deswegen alles zum Besseren wenden können, weil nun mit der Freisetzung der Vernunft von Willkür und Despotie in allen sozialen Bereichen gezielt Fortschritte zu erreichen seien; dank des Einsatzes von vernünftiger Überlegung und Planung, so der breit geteilte Glaube, würden sich Verbesserungen, die sich bereits in der Vergangenheit rudimentär Bahn gebrochen hätten, in den Sektoren sowohl der wirtschaftlichen Produktion als auch der Generierung wohlfahrtssteigernden Wissens, der politischen Organisation und schließlich den sozialen Bedingungen der Selbstverwirklichung mit Notwendigkeit und auf Dauer vollziehen müssen. Die Vierteilung, die Wagner damit in Hinblick auf die damaligen Visionen künftigen Fortschritts vorgenommen hat, nimmt er sich nun zum Leitfaden, um zu erkunden, welche Erfahrungen wir inzwischen mit den Versprechungen der Aufklärung gemacht haben, auf kontinuierliche Verbesserungen in allen vier Sozialbereichen hoffen zu können. Schnell ist dabei festgestellt, dass weder in der Sphäre des Wirtschaftswachstums noch in jener der Wissensproduktion all jene segensreichen Entwicklungen stattgefunden haben, die ursprünglich einmal vom Fortschrittsoptimismus der beginnenden Moderne in Aussicht gestellt worden waren: Der kapitalistische Markt, dessen Freisetzung von staatlicher Kontrolle und Beaufsichtigung zunächst als Garant stetiger Wohlstandsmehrung angesehen wurde, hat sich in den letzten zweihundert Jahren als eine höchst zweischneidige Einrichtung erwiesen, weil der Zwang zur endlosen Kapitalakkumulation eine Spirale der Bedürfnissteigerung in Gang gesetzt hat, die inzwischen jegliches Augenmaß für wirklich lebenswichtige Belange und Begehrlichkeiten vermissen lässt. Nicht anders sieht es in Bezug auf den Bereich der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung aus, deren tatsächlichen Erträge für das Wohlergehen und das Gedeihen der Menschheit inzwischen doch erheblichen, gut begründeten Zweifeln unterliegen. Die Bilanz, die Peter Wagner mit Blick auf die beiden anderen Bereiche zieht, für die uns zu Beginn der Moderne ein unaufhörlicher Fortschritt dank des freien Gebrauchs unserer Vernunft in Aussicht gestellt wurde, fällt hingegen wesentlich komplexer und ambivalenter aus. Einigkeit bestand unter den Parteigängerinnen und Parteigängern der Aufklärung von Beginn an dar­über, dass sich Fortschritte in den Dimensionen der politischen Organisation und der persönlichen Selbstverwirklichung als Steigerungen von das eine Mal kollektiver, das andere Mal individueller Freiheit vollziehen müssten; ein gewisser Dissens herrschte hingegen in Hinblick auf die Frage, ob sich diese Freiheiten eher als "negativ" oder als "positiv" begreifen lassen sollten, also nur als Freisetzung von einschränkenden Hindernissen oder als Befähigung zu wertvollen Zielsetzungen. Peter Wagner, der sich hier der bekannten Unterscheidung von Isaiah Berlin bedient, belässt es bei dem richtigen Befund, dass sich damals im Allgemeinen die Vorstellung durchsetzte, Fortschritte in den beiden Sphären seien vor allem in Form einer sukzessiven Steigerung von negativer Freiheit zu erwarten. Gemessen an diesem Versprechen fällt allerdings die sozialhistorische Bilanzierung insofern ernüchternd aus, als beide Male "paradoxale" Entwicklungsverläufe konstatiert werden müssen: Was die soziale Ermöglichung von individueller Selbstverwirklichung anbelangt, so haben sich Wagner zufolge deren Chancen in den letzten zweihundert Jahren durch die rechtliche Gleichstellung von großen Teilen der Bevölkerung zwar gesteigert, andererseits aber sind im selben Zeitraum auch immer wieder soziale Minderheiten als erst gar nicht anerkennungswürdig und daher als für die rechtliche Inklusion nicht tauglich ausgegrenzt worden. Auch im Bereich der politischen Organisation unserer Gemeinwesen ist nach seiner Überzeugung ein solcher paradoxaler Verlauf zu verbuchen, sind hier doch in den letzten zweihundert Jahren zwar die politischen Teilnahmerechte schrittweise von zufälligen Qualifikationsmerkmalen wie Kapitalbesitz, Geschlechtszugehörigkeit oder ethnischer Mitgliedschaft abgekoppelt worden, gleichzeitig aber die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung und das Vertrauen in die Wirksamkeit einer solchen Machtausübung des Volkes tendenziell gesunken. Beide Befunde einer Gleichzeitigkeit von Fortschritt und Regress bringt Peter Wagner in einer Art von Zwischenresümee auf den griffigen Nenner, dass sich inzwischen dank vielzähliger Kämpfe um rechtliche Inklusion zwar eine "formale Gleichheit" in den meisten Ländern durchgesetzt habe, an die Stelle der früheren Ungleichheiten aber neue, subtilere Formen der Benachteiligung getreten seien, die dem Einfluss von in der Vergangenheit angesammelten Machtmitteln wie Vermögen, patriarchalische Herrschaft und imperiale Vormachtstellung geschuldet sein sollen. In dieser Konstatierung eines paradoxalen Verlaufs der normativen Entwicklungen in den westlich-modernen Gesellschaften berühren sich die Überlegungen Peter Wagners im Übrigen aufs Engste mit den Untersuchungen, die wir im Institut für Sozialforschung im letzten Jahrzehnt zu den normativen Paradoxien der gesellschaftlichen Modernisierung durchgeführt haben. Es ist dieser Punkt in seiner Argumentation, an dem Peter Wagner sich nun veranlasst sieht, von der Rückschau auf den Vorausblick umzuschalten. War bislang seine Frage, wie es um die Fortschrittsversprechen des Aufklärungszeitalters angesichts der realhistorischen Entwicklungen tatsächlich bestellt war, so muss er sich jetzt dem Problem zuwenden, ob aus dieser Erbmasse bestimmte Bestandteile im Sinne der Wiederbelebung einer zugleich ermutigenden und motivierenden Fortschrittsvorstellun...

Inhalt

Inhalt Vorwort von Axel Honneth 9 Vorwort 17 1. Das Verschwinden des Fortschritts 23 1.1 Zwischen 1979 und 1989 ist etwas geschehen 23 1.2 Ein Blick zurück: Die Erfindung des Fortschritts 26 1.3 Die Erfahrung mit dem Fortschritt: Anmerkung zur Methode 30 1.4 Dimensionen des Fortschritts 33 1.5 Ein Blick nach vorne: Die Schritte auf dem Weg der Rekonstruktion 36 2. Fortschritt als Mechanismus: Der epistemisch-ökonomische Komplex 43 2.1 Erkenntnisfortschritt: Wissenschaft als "endless frontier"? 43 2.2 Wirtschaftswachstum als Fortschritt in der Befriedigung von Bedürfnissen 48 2.3 Die Transformation der Erde: Das Auseinandertreten der Interpretationen 56 2.4 Fortschritt ohne Ende 62 3. Fortschritt als Kampf mit ambivalenten Zielen 67 3.1 Gleiche Freiheit als Orientierungspunkt sozialen und politischen Fortschritts 67 3.2 Sozialer Fortschritt: Inklusion und Individualisierung 73 3.3 Politischer Fortschritt: Individuelle Rechte und kollektive Selbstbestimmung 79 3.4 Die Ambivalenz des sozialen und politischen Fortschritts und der Ort der Kritischen Theorie 85 4. Die Idee des Fortschritts neu betrachtet 91 4.1 Die aufklärerische Verknüpfung von Autonomie und Fortschritt 91 4.2 Kritische Stimmen: Autonomie, die den Fortschritt untergräbt 98 4.3 Eine erneute Lektüre der europäischen Fortschrittserfahrung: Autonomie und Herrschaft 103 4.4 Fortschritt zwischen persönlicher und kollektiver Autonomie 109 5. Das letzte halbe Jahrhundert 115 5.1 Vom kurzzeitigen Wiederaufleben des Fortschritts 115 5.2 Fortschritt in Grenzen: Das Unbehagen an der organisierten Moderne 118 5.3 Protest und Fortschritt nach dem Ende formaler Herrschaft 123 5.4 Die Falle des hegemonialen Diskurses: Die Tilgung von Raum und Zeit 128 5.5 Vorbereitung eines Realitätstests 133 6. Möglichkeiten des Fortschritts heute 137 6.1 Was auf dem Spiel steht 137 6.2 Die Wiederherstellung historischer Zeitlichkeit 140 6.3 Die Wiederherstellung sinnhafter Räumlichkeit 143 6.4 Fortschritt unter Bedingungen von Autonomie: Handlungsfähigkeit und Kritik 147 6.5 Möglicher Fortschritt (1): Aufbau demokratischer Handlungsfähigkeit 151 6.6 Möglicher Fortschritt (2): Überwindung neuer Herrschaftsformen 153 6.7 Möglicher Fortschritt (3): Vermeidung von Hybris 159 6.8 Rückschritte rückgängig machen 162 7. Bibliografische Anmerkung 165 7.1 Der Ansatz 165 7.2 Weitere Literaturhinweise 170

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