Beschreibung
Haben Staaten das Recht, Menschen die Einreise und die Ansiedlung auf dem eigenen Staatsgebiet zu verbieten? In der öffentlichen Diskussion wird diese Frage in der Regel gar nicht erst gestellt, sondern als beantwortet vorausgesetzt. Doch lässt sich das Recht auf die freie Entscheidung in Fragen der Einwanderung philosophisch rechtfertigen? Jede Person, so die These dieses Buches, verfügt über einen menschenrechtlichen Anspruch auf die freie Wahl des eigenen Aufenthaltsortes und des dauerhaften Wohnsitzes - nicht nur innerhalb eines Landes, sondern international.
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Autorenportrait
Jan Brezger ist Politikwissenschaftler und lebt in Berlin.
Leseprobe
Vorwort Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um meine Dissertationsschrift, die ich im September 2016 am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin einreichte und im Februar 2017 verteidigte. Für die Publikation wurde die Dissertationsschrift überarbeitet. Das Buch nimmt sich der Frage an, ob das von Staaten beziehungsweise deren Bürgerinnen beanspruchte Recht auf Autorität und Freiheit in Entscheidungen über Einwanderung gerechtfertigt ist oder ob hingegen ein moralisches Recht auf Einwanderung existiert. Ich argumentiere für letzteres und versuche zu zeigen, dass es sich hierbei um ein moralisches Menschenrecht auf internationale Freizügigkeit handelt. Jede und jeder verfügt meines Erachtens über einen menschenrechtlichen Anspruch, sich innerstaatlich und international frei zu bewegen und den Wohnort frei zu wählen. Die Idee zu diesem Promotionsvorhaben entwickelte (s)ich im Frühjahr 2011 im Zusammenhang mit meiner Diplomarbeit. Darin ging ich der Frage nach, welche moralischen Ansprüche jene Personen, die sich in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität befinden, geltend machen können (siehe Brezger 2011). Um mich auf diese spezifische Frage zu konzentrieren, klammerte ich die grundsätzliche Frage, ob und inwiefern der Anspruch von Staaten und Bürgerinnen auf die Kontrolle der Einwanderung gerechtfertigt ist, bewusst und explizit aus. Doch je länger ich mich mit der spezifischen Frage nach den gerechtfertigten Ansprüchen "irregulärer Migrantinnen" befasste, desto größer wurde mein Interesse an der zugrundeliegenden Frage, die nicht nur im öffentlichen Diskurs, sondern auch in der politischen Theorie und Philosophie oftmals als bereits beantwortet vorausgesetzt wird. Dabei lautet die gängige These: Selbstverständlich haben Staaten und deren Bürgerinnen das Recht, über Einwanderung nach eigenem Dafürhalten zu entscheiden (gegebenenfalls eingedenk weniger Ausnahmen wie etwa Flucht oder Familiennachzug). Eine Aufgabe und besondere Stärke der politischen Theorie und Philosophie besteht darin, derartige "Selbstverständlichkeiten" grundsätzlich infrage zu stellen. Es ist die Absicht dieses Buches, zur Hinterfragung des vermeintlich selbstverständlichen Rechts auf Entscheidungsfreiheit in der Kontrolle der Einwanderung einen Beitrag zu leisten. Um möglichen Missverständnissen und Enttäuschungen vorzubeugen, sei bereits einleitend betont, dass dieses Buch auf viele einschlägige normative Fragen der Migration keine Antwort geben wird. Der Fokus liegt auf dem Anspruch auf internationale Freizügigkeit als Menschenrecht. Wer sich von diesem Buch hingegen eine Auseinandersetzung mit einer angemessenen Flüchtlingsdefinition oder mit einem effektiven und fairen System der Verantwortungsverteilung im Flüchtlingsschutz erhofft, wird die Lektüre möglicherweise frustriert abbrechen. Zweitens enthält dieses Buch weder konkrete Handlungsanweisungen noch spezifische Politikempfehlungen. Mein Ziel besteht nicht darin, zu zeigen, wie ein moralisches Menschenrecht auf internationale Freizügigkeit zu realisieren wäre beziehungsweise welche Maßnahmen sukzessive zu einer Gewährleistung dieses Rechts führen könnten. Mein primäres Anliegen ist die Entwicklung eines Arguments dafür, dass solch ein moralisches Menschenrecht auf internationale Freizügigkeit existiert. Viele Menschen haben mich in meinem Promotionsvorhaben beziehungsweise in diesem Buchprojekt unterstützt. Entsprechend lang ist die Liste derjenigen, denen ich an dieser Stelle von Herzen danken möchte. Bernd Ladwig hat mich als Doktorvater und Chef von Beginn des Promotionsprojektes bis zur Abgabe der Dissertationsschrift begleitet und es fällt mir schwer, den vielschichtigen Dank präzise in Worte zu fassen. Ihm danke ich nicht allein für die konstante Unterstützung und stete Förderung, die vertrauensvolle und wertschätzende Zusammenarbeit und den langjährigen intensiven Austausch, sondern auch für den zeitlichen und gedanklichen Freiraum, in dem ich eine eigene Position zur Frage nach einem moralischen Recht auf Einwanderung entwickeln konnte. Stefan Gosepath danke ich herzlich für den wertvollen Rat, mit dem er mir als Zweitgutachter stets zur Seite stand. Die Unterstützung und Förderung, die ich von ihm erfuhr, übertrafen meine Erwartungen an die Rolle eines Zweitgutachters bei weitem. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für politische Theorie und Philosophie am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin hatte ich das Glück, Teil einer wunderbaren Gemeinschaft zu sein, in welcher der politischen Theorie und Philosophie nicht nur mit großer Leidenschaft nachgegangen wird, sondern in der auch die gegenseitige Förderung im Vordergrund steht. Hierfür und für unzählige Diskussionen und Denkanstöße zu meinem Dissertationsvorhaben bin ich Cord Schmelzle, Daniel Jacob, Andreas Oldenbourg, Timo Pongrac, Luise Katharina Müller, Nina Engwicht, Katharina Wonschik, Eva Deitert, Jorinde Schulz, Sophia Obermeyer, Schira Kaiser, Johannes Icking, Sabine Büchner und (nochmals) Bernd Ladwig äußerst dankbar. Viele aus diesem Kreis haben Kapitel aus früheren Fassungen des Manuskripts gelesen und ich verdanke ihnen zahlreiche hilfreiche Anmerkungen und konstruktive Kritik. Einen besonderen Dank möchte ich Anna Goppel und Andreas Cassee aussprechen. Beide hatten bereits vor mir begonnen, sich dem Thema der Migration politiktheoretisch und philosophisch anzunehmen und mehrfach bin ich von Dritten darauf hingewiesen worden, dass dies für mich doch ein Nachteil beziehungsweise ein Problem sei. Stärker könnte man kaum irren. Für mich war es ein großes Geschenk, zu Beginn meiner Promotionsphase auf zwei Menschen zu treffen, die zu sehr ähnlichen Fragen arbeiteten und mit denen ich über einen langen Zeitraum hinweg intensiv über politik-theoretische und philosophische Fragen zu Migration und Flucht sprechen konnte. Aus diesem fruchtbaren und freundschaftlichen Austausch sind unzählbare Anregungen und mehrere gemeinsame Publikationen hervorgegangen. Für die langjährige, sehr große Unterstützung danke ich Anna Goppel und Andreas Cassee von Herzen. Andreas Cassee hat außerdem große Teile des Manuskripts gelesen und ich bin ihm für viele wertvolle Hinweise auf Unklarheiten und Ungenauigkeiten in vorangegangenen Fassungen dankbar. Meiner Mutter Ilse Brezger danke ich herzlich für das genaue Korrekturlesen des Manuskripts. Die Verantwortung für etwaige Fehler liegt selbstverständlich bei mir. Danken möchte ich außerdem den Studierenden in den von mir angebotenen Seminaren sowie allen Teilnehmenden von Kolloquien, Workshops und Konferenzen in Berlin, Bochum, Dortmund, Dubrovnik, Essen, Glasgow, Hamburg, Mainz, Manchester und Zürich. Für wertvolle Anregungen und Kritik in diesen und anderen Kontexten danke ich Svenja Ahlhaus, Oliviero Angeli, Valentin Beck, Henning Hahn, Martina Herrmann, Sabine Hohl, Rahel Jaeggi, Tamara Jugov, Lukas Kübler, Georg Lohmann, Ana Matan, Kirsten Meyer, Corinna Mieth, Mirjam Müller, Christian Neuhäuser, Andreas Niederberger, Peter Niesen, Kieran Oberman, Markus Patberg, Arnd Pollmann, Peter Schaber und Gabriel Wollner. Dem Ethik-Zentrum der Universität Zürich danke ich dafür, dass ich drei Monate als Gastwissenschaftler dort forschen durfte. Schließlich danke ich Frank Nullmeier und den weiteren Herausgebern der Reihe "Theorie und Gesellschaft" herzlich für die Aufnahme in diese Reihe. Dem Campus Verlag und insbesondere Judith Wilke-Primavesi und Isabell Trommer danke ich ebenfalls herzlich für die sehr gute Zusammenarbeit. Mit Blick auf all jene, die mich auf dem langen Weg von der Entwicklung erster Gedanken bis zur Abgabe, Verteidigung und Überarbeitung der Dissertationsschrift außerhalb der Universität begleitet haben, halte ich es wie Stefan Gosepath (2004: 26): "Meinen privaten Dank leiste ich lieber in anderer Form." 1. Einleitung 1.1 Das Recht auf Ausschluss als "Conventional View" Haben Staaten beziehungsweise der...
Inhalt
Inhalt
Vorwort 9
1. Einleitung 13
1.1 Das Recht aus Ausschluss als "Conventional View" 13
1.2 Forschungsstand und Forschungslücke: Die Debatte um ein Recht auf Einwanderung und ein Recht auf Ausschluss 20
1.3 Definition: Das moralische Menschenrecht auf internationale Freizügigkeit 38
1.4 Mögliche Argumentationspfade für ein Menschenrecht auf internationale Freizügigkeit 49
1.5 Ausblick auf die folgenden Kapitel 53
2. Der menschenrechtliche Argumentationsrahmen Individuelle Selbstbestimmung als ein Grund der Menschenrechte 57
2.1 Individuelle Selbstbestimmung 58
2.2 Individuelle Selbstbestimmung in Griffins Menschenrechtskonzeption 62
2.3 Individuelle Selbstbestimmung im Rahmen von Tasioulas' Menschenrechtskonzeption 71
2.4 Individuelle Selbstbestimmung als "sektiererische" Grundlage? 88
2.5 Fazit 97
3. Individuelle Selbstbestimmung und internationale Freizügigkeit 99
3.1 Die Signifikanz der Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit 100
3.2 Das Ausmaß des Menschenrechts auf Freizügigkeit 116
3.3 Der Einwand einer adäquaten Bandbreite von Optionen 121
3.4 Freizügigkeit als "mitgliedschaftsspezifisches Menschenrecht"? 137
3.5 Fazit 146
4. Kollektive Selbstbestimmung als Rechtfertigungsgrundlage eines Rechts auf Ausschluss 149
4.1 Zwei einfache Lösungen: Souveränität als Trumpf oder Vorrang der Menschenrechte 151
4.2 Assoziationsfreiheit als Grundlage eines Rechts auf Ausschluss 158
4.3 Gemeinsames Eigentum als Grundlage eines Rechts auf Ausschluss 167
4.4 Die Freiheit von zusätzlichen Pflichten als Grundlage eines Rechts auf Ausschluss 179
4.5 Nationale Selbstbestimmung als Grundlage eines Rechts auf Ausschluss 187
4.6 Fazit 193
5. Der Schutz moralisch erheblicher Güter und Institutionen als Rechtfertigungsgrundlage eines Rechts auf Ausschluss 197
5.1 Schutzargumente mit Blick auf den Zielstaat 199
5.2 Schutzargumente mit Blick auf den Herkunftsstaat 238
5.3 Schutzargumente mit Blick auf kumulative Effekte auf globaler Ebene 247
5.4 Fazit 256
6. Konklusion 259
6.1 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der vorangegangenen Kapitel 259
6.2 Sind die Existenzbedingungen moralischer Menschenrechte erfüllt? 266
6.3 Ausblick auf mögliche Implikationen 273
Literatur 275