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Supervision als Rollenspiel (Leben lernen, Bd. 200)

Kommentierte Beispiele aus der psychtherapeutischen Praxis, Leben Lernen 200

Erschienen am 14.03.2007, 1. Auflage 2007
15,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608890433
Sprache: Deutsch
Umfang: 157 S.
Format (T/L/B): 1.5 x 21 x 13.5 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Supervision ist ein wichtiges Mittel der Qualitätssicherung in der Psychotherapie. Kollegen tauschen sich über schwierige Fälle aus und geben professionelle Hinweise bei unvermeidlichen 'blinden Flecken'. Üblicherweise findet Supervision als Gespräch, rein verbal also, statt. Doch nicht selten, so der bekannte Analytiker und Körperpsychotherapeut Tilmann Moser, reicht Sprache nicht aus, um verwickelte Beziehungen zu entwirren oder irritierende Emotionen zu klären: Rollenspiel und szenische Elemente können zu direkter Erfahrung und zu unmittelbaren Einsichten verhelfen. Ein einziger Rollenwechsel, z. B. vom Therapeuten zum Patienten, kann genügen, um affektive Verstrickungen zu beleuchten. Hauptkonflikt und Beziehungsform werden auf diese Weise in der szenischen Supervision transparent. Tilmann Moser stellt verschiedene Formen szenischer Supervision vor und zeigt ihre Wirksamkeit an ausführlich wiedergegebenen Fallbeispielen aus seiner Supervisionspraxis.

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Autorenportrait

Tilmann Moser, Dr. phil., (1938 bis 2024), war Psychoanalytiker und Körperpsychotherapeut in freier Praxis in Freiburg tätig. Arbeitsschwerpunkte waren: Die Verbindung von Psychoanalyse und Körpertherapie; Seelische Nachwirkungen von NS-Zeit und Krieg; Nachwirkungen von repressiven Gottesbildern.

Leseprobe

Einführung Szenische Supervision ist beileibe nicht meine Erfindung. Sie wird praktiziert in der Gestalttherapie und im Psychodrama, wohl auch in Hilarion Petzolds Integrativer Psychotherapie, und vielen anderen. Sie kommt nicht nur meiner Vorliebe für Spiel und Inszenierung entgegen, sondern sie hat mir eine neue Form der Kreativität aufgezeigt im Umgang mit Kollegen - einzeln oder in der Gruppe, die Anregung oder Hilfe im Umgang mit schwierigen Patienten suchen. Es waren Analytiker, tiefenpsychologische Therapeuten, Körpertherapeuten, Familientherapeuten und Paarberater. Niklaus Roth (1990, 424) hat die Hinwendung des Psychoanalytikers zur Inszenierung in dichten Worten umrissen: 'Indem ich nun in der Workshopsituation einen zur Supervision bereiten Teilnehmer veranlasse, einen anderen in die Rolle seines Patienten zu versetzen, gebe ich ihm die Möglichkeit, die in der Therapie gewachsene Übertragungs-Gegenübertragungssituation direkter zu erleben und gestalthafter darzustellen, als er es tun könnte, wenn er sich allein durch Schilderungen, Reflexionen und in indirekter Rede ausdrücken könnte. Der Teilnehmer, der sich mit dem Patienten identifiziert, wird seinerseits vieles unmittelbarer, intensiver und auch körperhafter erfahren, als wenn er in der Rolle des Zuhörers geblieben wäre. Die übrigen Teilnehmer werden sehen, wie sich die zwei aufeinander beziehen und wie sich verbaler Ausdruck und averbale Kommunikation harmonisch oder spannungsvoll ergänzen. Dem Leiter schließlich eröffnen sich unzählige Möglichkeiten, die Dynamik des Geschehens oder dessen Reflexion zu beeinflussen. Er wird sich allerdings darin üben müssen, seine Mittel kontrolliert und beschränkt einzusetzen, um einige wenige Linien klar herauszuarbeiten.' Während meiner analytischen Ausbildung wäre es undenkbar gewesen, sich aktiv in die Rolle eines Patienten zu versetzen oder die Rolle einer seiner wichtigen Bezugspersonen zu übernehmen, geschweige denn eines verborgenen Introjekts, das lähmend über sein Leben herrschte. Man hat brav berichtet über die Therapie: Stockend, verschämt, unsicher oder stolz, und der analytische Supervisor tat sein Bestes, um aus der beobachtenden und zugleich mitfühlenden Position Einblick zu nehmen in eine verschlungene Beziehung. Einzig bei Peter Fürstenau lernte ich, schon in den späten Siebzigerjahren, bei einem Wochenendseminar das analytische Rollenspiel als Supervisionsmethode kennen, bei dem er für mich herausstellte, dass ich mit meiner schwierigsten Borderline-Patientin, der ich damals noch gar nicht gewachsen war, verstrickt war 'wie ein altes Ehepaar'. Vielleicht hat dieses unerwartete Verdikt dazu geführt, dass ich erst einmal inszenierende Gruppentherapie- Verfahren lernte und praktizierte, bevor ich mich an inszenierende Supervision herantraute. Aber dann erlebte ich ihre Möglichkeiten mit Staunen, genoss die größere Zugänglichkeit von Affekten, Konflikten und bedrohlichen Mangelzuständen und die Anschaulichkeit interpersoneller Konstellationen; die szenische Entfaltung der intrapsychischen Konflikte nicht zu vergessen. Einen Überblick über alle inszenierenden Supervisionsformen zu geben ist inzwischen, angesichts der Breite stets sich erweiternder Verfahren, schwierig geworden. Gibt es doch schon eine Vielfalt von Inszenierungsmöglichkeiten für Träume, bei denen etwa in der Gestalttherapie auch ganz unscheinbare Traumteile symbolisiert oder von Gruppenteilnehmern personifiziert werden. Beim Psychodrama ist vor allem hervorzuheben: die möglichst genaue Darstellung der räumlichen Verhältnisse einschließlich der Wohnungseinrichtung, vor allem aber das 'Doppeln ' eines Therapeuten oder von Personen seines Umfelds: Aus der Gruppe heraus oder in der Einzelsupervision tritt der Supervisor hinter den Protagonisten und bietet ihm seine emotionalen oder gedanklichen Einfälle an. Das Verfahren ist fruchtbar, wenn es keinen rivalisierenden Run aus der Gruppe auf den Platz des Dopplers gibt und der Supervisand nicht überschwemmt wird mit zu viel ehrgeiziger Eigenleistung der Doppler. In den verschiedensten Formen der Familientherapie ist die Inszenierung in der Supervision ein wichtiges Instrument, sowohl als eine statische Zusammenfassung in einer 'Familienstruktur' oder '-skulptur ' wie als geronnene Momentaufnahme einer pathogenen Konstellation; oder als lebende Struktur, bei der die Teilnehmer aufeinander reagieren, sich räumlich verändern oder ihre Gefühle zueinander ausdrücken oder eine vorteilhaftere seelische Anordnung der Familie suchen. Eine psychoanalytische Supervisionsform, wie sie in den Siebzigerjahren im Frankfurter Sigmund-Freud-Institut entwickelt wurde, nutzt folgende, sehr fruchtbare Gruppenmechanismen: die sogenannten induzierten Spontanphänomene. Sie stellen sich ein, wenn ein Mitglied der Gruppe einen Fall vorträgt, den die übrigen Gruppenmitglieder emotional auf sich wirken lassen. Dabei scheint es zwangsläufig zu geschehen, dass die Teilnehmer, je nach ihrer eigenen Struktur, sich mit unterschiedlichen Aspekten, Personen, Introjekten, Impulsen identifi - zieren. So entsteht ein komplexes Bild des Patienten, ein Mosaik, das sich bei der Diskussion zu einem geschlossenen Bild zusammenfügen lässt. Das Funktionieren setzt allerdings einen längeren gemeinsamen Lernprozess voraus, damit die szenische Wahrnehmung, basierend auf der unbewussten szenischen Struktur des Patienten, wirksam und fruchtbar wird. Die Inszenierung findet also im offengehaltenen seelischen Raum der Gruppe statt, ohne dass reale Interaktionen mit Personen oder Teilaspekten stattfinden. Erlebt habe ich diese Variante vor allem im supervisorischen Umgang mit Erstinterviews zur Erstellung von Diagnosen und Behandlungsplänen. Ob und wie sie sich für fortlaufende Supervisionen eignen würde, kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall bilden sich die verschiedenen Repräsentanzen des Patienten ab, und gelegentlich kann es, genau wie bei real inszenierten Interaktionen, zu affektiv dichten Konfrontationen kommen, die auch etwas über den energetischen Zustand der Selbstanteile des Patienten aussagen. Verschiedene Formen der Inszenierung Man kann sehr wohl die verschiedenen seelischen Anteile eines Borderline- Patienten auf leeren Stühlen oder in der Gruppe mit verschiedenen Teilnehmern darstellen und bietet mit dem eigenen wohlwollenden Blick ein Hilfsich oder einen Container für die allmähliche Integration der Teile. Was sagt der eine Teil zu einem oder den anderen Teilen, und wie kommuniziert er mit dem Therapeuten? Ist ein Teil affektiv noch verborgen, aber vielleicht verbal schon bewusst, oder umgekehrt? Ist es gar, ob und wann und wie, sinnvoll, den einzelnen Teilen durch den Therapeuten vorausgehend vorsichtig Stimme zu verleihen? Schildert man dem Patienten, was der Therapeut sieht, wenn und wie der Patient die Stühle (oder andere Symbole) oder die in Rollen mitspielenden Teilnehmer platziert hat? Lässt man die Teile miteinander in verbale Beziehung treten, oder fragt man, was die Mitspieler körperlich und seelisch fühlen? Man kann einzelne Anteile separieren und mit Personen der Herkunftsfamilie in Beziehung treten lassen, oder man konstelliert die Abwehrmauern, die sich zwischen verschiedenen Positionen aufgebaut haben, oder die Angstquanten, die im Raum sind. [.]

Inhalt

Einführung 1. Vernichtungswünsche gegen das eigene Kind 2. Überdruss am Überdruss. Vom Umgang mit einer Opferidentität 3. Ein Vater kann sich nicht trennen 4. Verstrickung und projektive Identifizierung 5. Wie eine Antipathie die Diagnose einfärbt 6. Der lähmende Ergeiz des Vaters 7. Ein Fall von Ejaculatio praecox 8. Eine Migrationsdepression 9. Ein gewaltsamer Rausschmiss 10. Ein Mann sabotiert sich selbst 11. Der Therapeut ist schachmatt 12. Eine Welle der Brüderlichkeit 13. Eine Lehrerin auf dem Schoß der Oma Weitere szenische Möglichkeiten

Schlagzeile

Szenische Supervision: Ein neues Verfahren

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