Beschreibung
Dietrich von Bern gilt als größter aller Helden in der deutschen Literatur des Mittelalters. Die Geschichten über seine Kämpfe gegen Recken, Riesen, Zwerge und Drachen fanden bis ins 16. Jahrhundert hinein ein breites Publikum. Mit alten Heldendichtungen wie dem „Hildebrandslied“’, aber auch dem „Nibelungenlied“, teilen die Texte um Dietrich und seine Recken sowie die Helden Ortnit und Wolfdietrich Themen wie Kampf, Herrschafts- und Gefolgschaftsproblematik. Gleichzeitig öffnen sie sich auch anderen Themen, Erzählmodellen und Heldenkonzeptionen, wie sie insbesondere im höfischen Roman, in der Brautwerbungsdichtung und in den deutschen Chansons de geste zu finden sind. Die Studie untersucht die späten Heldendichtungen z.B. nach Gattungszugehörigkeit, Zyklusbildung, Metaebene und Intertextualität. Dabei werden Fragen der Gattungstheorie mit Theoriebausteinen der Intertextualitätstheorie verbunden. Innovativ ist insbesondere die Analyse solcher Verweise, die nicht einzelnen Texten oder Gattungsmustern gelten, sondern Inhalten der mündlichen Überlieferung, also der Heldensage. Dazu kommt die Einbeziehung des für die späte Heldendichtung zentralen Aspekts der Fassungsproblematik. Die theoretischen Erkenntnisse werden in zahlreichen Textanalysen im zweiten Teil der Arbeit erprobt.
Autorenportrait
Sonja Kerth studierte die Fächer Deutsch/Geschichte an der Universität Würzburg (1. Staatsexamen 1993), Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Teilprojekt „Die Weltchronik des Heinrich von München“ im Rahmen des Würzburger SFB „Wissensvermittelnde und wissensorganisierende Literatur im Mittelalter“ (1994), Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Teilprojekt „Das Bild des Krieges in der deutschen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts“ im Rahmen der Würzburger DFG-Forschergruppe „Das Bild des Krieges im Wandel vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit“ (1995-1998), Promotion 1997, Wissenschaftliche Assistentin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen (seit 1998), Habilitation 2005, SS 2006: Vertretungsprofessur in Bremen, seit 2006 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Laurin-Edition“.
Forschungsschwerpunkte: politische Dichtung; Bild des Krieges in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Unsinnsdichtung; Heldenepik; Gattungstheorie; Intertextualitätstheorie; Gotteskrieger in der mittelalterlichen Literatur.
Rezension
„Kerths Buch ist eine kenntnisreiche, ungemein fleißige Ausarbeitung dessen, was in Arbeiten von Heinzle, Meyer und anderen auf den Weg gebracht worden war. Hinzu kommen wichtige Neufunde oder es werden neue Akzente gesetzt, z. B. in der Dokumentation der Motivbezüge zwischen Heldenepik und des Pleiers Romanen (...) oder zu „Wigamur“ und dem Münchener „Wunderer“-Fragment (S. 46). Bemerkenswert sind die Interpretationen im Anhang (S. 365-377) zu Texten, in denen heroisches Kämpfen im Modus der Parodie und Persiflage als sinnlos und grotesk stilisiert wird („Die Böse Frau“, „Wachtelmäre“, Heinrich Wittenwilers „Ring“). Und bewundernswert ist die bibliographische Arbeit: Penibel listet das Literaturverzeichnis scheint's alles, was zu Kerths Korpustexten geschrieben ist, Fehler finden sich kaum, das Namen- und Sachregister erschließt das Buch in vorbildlicher Weise, und überaus nützlich ist die Fortführung des Forschungsberichts zur „späten Heldendichtung“ von Kerth/Lienert für die Zeit nach 2000 (...).“
Florian Kragl
In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. 133 (2011) 2. S. 363b-369a.
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„Kerths Buch bietet einen umfassenden und (auch zum Widerspruch) anregenden Überblick über Intertextualität in der Heldendichtung.“
Matthias Meyer
In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. 140 (2011) Heft 1. S. 101-106.
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„Gegenstand der Bremer Habil-Schrift ist die späte Heldenepik, die als ganzes genommen ein sehr heterogenes Bild abgibt. Dieser Heterogenität versucht die Arbeit durch die konsequente Anwendung von Versatzstücken aus mehreren Intertextualitätstheorien einerseits gerecht zu werden, um dadurch andererseits ein klareres Bild des Gegenstandes zu gewinnen, als es bislang vorlag. Untersucht werden die historischen und aventiurehaften Dietrichepen, „Biterolf und Dietleib“ sowie „Ortnit“ und die „Wolfdietriche“. In den stets aufeinander bezogenen Einzelinterpretationen werden, methodisch differenziert und an verschiedene Theorieangebote angeschlossen, Fragen gestellt nach Einzeltextreferenzen (was oft die Suche nach Quellen bedeutet), Systemreferenzen (wobei System das Gattungssystem und dessen Regularitäten meint) und Wissensreferenzen (die über die Ebene des Textes hinausgehen, womit das Problem von möglichen Textverlusten im Raum steht). Das Ergebnis ist, dass die Texte der späten Heldendichtung alle hyprid und nicht als homogene Gruppe anzusehen sind. Wenn dadurch die Gattungshaftigkeit der Textreihe in Frage gestellt wird, darf man nicht vergessen, dass die Untersuchung von einem klassisch-strikten Gattungsbegriff und entsprechenden Zuweisungen ausgeht, was die Argumentation natürlich recht zirkulär macht. Auch wenn das Gesamtergebnis nicht bahnbrechend ist, wird man viele Textbeobachtungen und Interpretationsansätze mit Gewinn konsultieren.“
Stephan Müller
In: Germanistik. 51 (2010) 1-2. S. 222-223.
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„Gattungsinterferenzen is a very thorough, systematic, and detail-oriented study, yet surprisingly easy to follow. Kerth demonstrates, without a doubt, expertise and ease with her subject matter, both the heroic and the courtly traditions. (...)
to medievalist Germanists interested in questions of intertextuality, generic boundaries, tradition and innovation, orality and literacy, „Gattungsinterferenzen in der späten Heldendichtung“ will prove useful both as a theoretical exploration and a comprehensive reference work on late medieval heroic epic.“
Olga V. Trokhimenko
In: Hournal of English and Germanic Philology. January 2010. pp. 103-104.