Beschreibung
Es gibt in der umfangreichen Industriegeschichtsschreibung einige weiße Flecken, die bisher kaum Beachtung fanden. Die Textilbleichen gehören dazu, obwohl seit Jahrhunderten die große Bedeutung weißer, veredelter Textilien für den Handel und damit für die Wirtschaftskraft ganzer Regionen hervorgehoben wurde. Der vorliegende Band schließt diese Lücke, indem er die Entwicklung der deutschen Textilbleichen zwischen dem späten 18. und dem frühen 20. Jahrhundert darstellt. Eine technische Revolution, die Einführung der Chlorbleiche, steht dabei im Mittelpunkt. Den Hauptteil dieser modernen Branchengeschichte bildet ein regionaler Vergleich der vier textilindustriellen deutschen Zentren Augsburg, Chemnitz, Wuppertal und Bielefeld.
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Hersteller:
Verlag für Regionalgeschichte UG
Dr. Dirk Paßmann
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DE 48155 Münster
Autorenportrait
Udo Schlicht, Dr. Geboren 1962 in Paderborn. Studium: Geschichtswissenschaft und Germanistik in Bielefeld. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Museum Bielefeld. Forschungsschwerpunkte: Industrie-, Sozial- und Kulturgeschichte Ostwestfalens; Kurator industrie- und alltagsgeschichtlicher Ausstellungen. Bücher im Verlag für Regionalgeschichte: Kaufschön. 200 Jahre Textilveredlung in Ostwestfalen-Lippe, 2002 Kauflust. 100 Jahre Einkaufen in Bielefeld, 2007 Textilbleichen in Deutschland. Die Industrialisierung einer unterschätzten Branche, 2010
Rezension
Bielefeld war einer der wenigen Orte in Deutschland, in denen die Bleichen sogar bis ins 21. Jahrhundert betrieben wurden. Daran erinnern Namen wie Windelsbleiche, Pideritt's Bleiche, Bleichstraße. Dr. Udo Schlicht spricht sogar von einer 'unterschätzten Branche'.
Über diese 'unterschätzte Branche' hat Schlicht, seit 15 Jahren im Historischen Museum tätig, promoviert und jetzt im Verlag für Regionalgeschichte von Olaf Eimer ein Buch 'Textilbleichen in Deutschland' veröffentlicht.
Bleichen, das seien in der landläufigen Meinung weiße Stoffstücke, die auf Wiesen der Sonne ausgesetzt würden und vor der Entdeckung anderer Methoden sei das auch tatsächlich so gewesen. Rasenbleichen habe es bis in die 1920er Jahre gegeben. Um 1780 herum habe man entdeckt, dass Chlorgas Leinen und Baumwolle hell macht; man habe auch die tödlichen Gefahren des Chlorgases früh erkannt, vom frühen 18. Jahrhundert an mit Chlorkalk gearbeitet. Schlicht: 'Der war besser zu transportieren und sicher zu verarbeiten.' Rasenbleichen waren für Leinen auch nach der Chlorbehandlung unverzichtbar; mitunter hätten die Stoffbahnen bis zu sechs Monate draußen gelegen, nachts von Männern mit Hunden gewacht. Bei Baumwolle sei eine 'natürliche' Nachbehandlung überflüssig gewesen. Seit den 1960er Jahren sei es mit der Textilveredelung in Deutschland nach und nach zu Ende gegangen. Windel habe als eine der letzten deutschen Bleichen geschlossen.
In Bielefeld sei die Chlorlauge zunächst in die Lutter und dann in den Stadtgraben geleitet worden. Obwohl der Magistrat dem Chlor 'desinfizierende Wirkung' beschied, wurde schließlich ein Graben um Bielefeld herum gebaut - eigens für die Lauge, die letztendlich allerdings wieder der Lutter und anderen Bächen zugeführt wurde. Schließlich, so Schlicht, sei das 'Instrument der Rieselfelder' entwickelt worden: 'Das Erdreich diente als eine Art natürlicher Filter.'
In seinem Buch hat Udo Schlicht die Einführung der Chlorbleiche, eine technische Revolution, in den Mittelpunkt gestellt. Zudem tritt er den Vergleich der vier textilindustriellen Zentren Bielefeld, Chemnitz, Wuppertal und Augsburg an. In Bielefeld hätten in den Lohnbleichen etwa 600 Menschen, überwiegend Männer, gearbeitet.
Burgit Hörttrich, in Westfalen-Blatt, 17.6.2010, Bielefeld
Das Buch vermittelt als überregionale Branchengeschichte einen detaillierten Überblick über die Geschichte der Textilbleichen vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Den Fragestellungen der modernen Unternehmensgeschichte folgend untersucht er wirtschaftliche, soziale, politische, kulturelle und ökologische Aspekte und deren Vernetzung.
Jürgen Scheffler, in: Lippische Mitteilungen 79, 2010
Inhalt
Vorwort 9
1. Einleitung 11
2. Industrialisierungsprozess in Deutschland und das Bleichgewerbe 23
2.1 Bedeutung der Textilindustrie im deutschen Industrialisierungsprozess 23
2.2 Verortung des Veredlungsgewerbes in der Industrialisierung 31
2.3 Betriebsformen der Bleichereien 38
3. Technologie des Bleichens 46
3.1 Wissenschaftlich-technologische Forschung im 19. Jahrhundert 46
3.2 Rasenbleiche 51
3.2.1 Traditionelle Rasenbleiche 55
3.2.2 Beginnende Chemisierung der Bleiche 60
3.3 Chlorbleiche 65
3.4 Bleichen im Produktionsgang der Textilveredlung 79
4. Fortschritte der Bleichtechnik aus zeitgenössischer Sicht 83
4.1 Rezeption der Chlorbleiche in der deutschen Fachliteratur 84
4.2 Technische und industrielle Zeitschriften 94
4.2.1 Dinglers Polytechnisches Journal (1820-1931) 95
4.2.2 Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen (1822-1920) 101
4.2.3 Hephästos (1839-1841) 103
4.2.4 Die chemisch-technischen Mittheilungen von L. Elsner (1849-1887) und die Zeitschrift für angewandte Chemie (1888-1924) 105
4.2.5 Der Leinen-Industrielle. Organ des deutschen und österreichischen Leinen-Industrie-Vereins (1868-1882) 108
4.2.6 Deutsche Färber-Zeitung. Central-Organ der Färber, Drucker, Appreteure, Bleicher und Wäscher (ab 1870) 110
4.2.7 Leipziger Monatsschrift für Textil-Industrie (ab 1886) 112
5. Die „kulturelle“ Ebene: Technologischer Fortschritt in Bleichbetrieben 114
5.1 Herausbildung eines gewerblichen Bleichwesens in Deutschland 115
5.2 Wandel der Bleichmethode 121
5.2.1 Früher Einsatz von Chemikalien 123
5.2.2 Einführung der Chlorbleiche in den deutschen Bleichmanufakturen 137
5.2.3 Konsolidierung der Chlorbleiche 158
5.2.4 Schnellbleiche – Tempo-Virus oder wirtschaftliche Notwendigkeit? 167
5.3 Betriebsausstattung der Bleichbetriebe 170
5.3.1 Technische und bauliche Ausstattung 170
5.3.2 Zulieferindustrien 201
5.3.2.1 Chemische Industrie 202
5.3.2.2 Maschinenbauindustrie 205
6. Die „Marktebene“: Arbeit und wirtschaftliche Aspekte in Bleichbetrieben 210
6.1 Arbeitsverhältnisse 210
6.1.1 Anzahl und Struktur der Arbeitskräfte 211
6.1.2 Arbeitszeiten und Arbeitseinkommen 222
6.1.3 Arbeitsbedingungen 226
6.1.4 Arbeiterproteste 229
6.1.5 Sozialeinrichtungen 231
6.2 Mikroökonomische Ebene 238
6.2.1 Kosten und Finanzierung einer Bleiche 238
6.2.2 Geschäftsgang der Textilbleichen 244
7. „Globale Rahmenbedingungen“: Politik und Umwelt im Verhältnis zu Bleichbetrieben 254
7.1 Staatliche Gewerbeförderung 254
7.1.1 Kreditvergaben und Bereitstellung von Maschinen 256
7.1.2 Ausbildung in Gewerbeschulen und auf Auslandsreisen 262
7.1.3 Musterbleichen 267
7.1.4 Industrieausstellungen und Preisaufgaben 280
7.1.5 Gesetzliche Rahmenbedingungen 285
7.2 Bleichen und Umwelt 292
7.2.1 Wasserverbrauch und Wasserentzug 293
7.2.2 Auseinandersetzungen um verunreinigtes Wasser 298
7.2.3 Ein später Lösungsansatz: Die Windel’schen Rieselfelder 311
7.2.4 Luftverschmutzung 315
7.3 Kommunale Einbindung 317
7.3.1 Bleichunternehmer im Verhältnis zum städtischen Bürgertum 317
7.3.2 Bleichpersonal im städtischen Leben 325
8. Zusammenfassung 327
9. Anhang 335
9.1 Wirtschaftliche Entwicklung verschiedener Bleichfabriken 335
9.2 Betriebsausstattung der Firma H. Windel 337
10. Quellen- und Literaturverzeichnis 345
10.1 Siglen 345
10.2 Archivalische Quellen 345
10.3 Gedruckte Quellen 347
10.4 Technologisches Schrifttum 348
10.5 Dinglers Polytechnisches Journal 353
10.6 Sekundärliteratur 359
11. Register 373
11.1 Personen-, Unternehmens- und Institutionenregister 373
11.2 Ortsregister 377
11.3 Sachregister 380