Beschreibung
Was kann die Genderforschung für die Germanistik leisten? Für die Literatur ist Geschlecht als eine Kategorie von grundlegender Bedeutung erörtert und untersucht worden. Der vorliegende Band fokussiert in einem historischen Querschnitt von zumeist deutschsprachigen Texten von der Frühen Neuzeit bis zur Moderne wie Geschlechtercodes und Geschlechternormen eingeschrieben sind. Dabei werden die wissenschaftlichen Grundzüge auf dem Gebiet der Gender Studies unter Einschluss der gegenwärtigen Forschungsinteressen und unterschiedlichen Positionen vorgestellt. Nach einem Überblick über die Genese der literarischen Genderforschung im ersten Kapitel bieten die weiteren Kapitel des Buches jeweils eine kurze Einführung in die Problemfelder mit sich anschließenden Detailanalysen. Sie historisieren die Geschlechterdiskurse der literarischen Genderforschung und einer kulturhistorisch ausgerichteten Germanistik. Es geht um symbolische Weiblichkeit und Männlichkeit, Körperdiskurse, Dämonisierung von Sexualität, Probleme von Auto / Biographie, Autorschaft, Ästhetik und Gender, um Konzepte von Familie, Freundschaft und Geselligkeit. Relevante Aspekte der Theoriebildung und Ergebnisse der literarhistorischen (Frauen)Forschung, die Debatten und Thesen der Feministischen Literaturwissenschaft und Gender Studies sind mit berücksichtigt und werden weitergeführt.
Mit „Genderforschung und Germanistik“ liegt eine grundlegende Darstellung für alle diejenigen vor, die im Bereich der literarischen Forschung von der Frühen Neuzeit zur Moderne arbeiten. Der Band führt in zentrale Forschungsfelder und Bereiche literarhistorischen Wissens ein und zeigt, wie diese geschlechtlich codiert sind.
Inhalt
Vorwort
1. Gender: Zur Genese eines Forschungsfeldes
1.1 Geschlecht, Gender und Literaturwissenschaft
Gender als Forschungsfeld
1.2 Vom Feminismus und Women’s Studies zu den Gender Studies
Politischer Feminismus: Civil Rights Movement und Second-Wave Feminism
Feminismus und literarische Frauenforschung in den USA
Feministische Literaturkritik
Women’s Studies und Gender
Differenz-Feminismus und Gender
Identity Politics
1.3 Kulturwissenschaftliche Germanistik und Genderforschung
Frauenbewegung und Feminismus
Écriture féminine und parler femme in der Germanistik
Gender Studies als Forschungsfeld in der Germanistik
Gender Studies und der Social Turn
2. Geschlechterdiskurse: Symbolische Weiblichkeit und Männlichkeit
2.1 Geschlechterkonstruktionen in der Frühen Neuzeit
Dr. Faustus und Courasche: Normative Geschlechterdifferenz
Die Figur des Dr. Faustus als Verhandlung über Männlichkeit
Courasche als Parodie von Weiblichkeit
Geschlechternorm und Geschlechtsangst
2.2 Poetische Bilder als Geschlechterdiskurse: Eichendorffs Das Marmorbild
Archaische Geschlechtermuster wiederbelebt
2.3 Die ,neue Frau‘ um 1900: Geschlecht und Charakter im Werk Carl Hauptmanns
Geschlechterdiskurse um 1900
Die ,neue Frau‘
Zum Biologismus Carl Hauptmanns
Triebhafte Frauen, tragisch-heroische Männer
Konstruierte Triebhaftigkeit und ,Blut und Boden‘ – um 1900
Neoromantik und Triebpsychologie
Verstoß gegen die Gesetze des Patriarchats
3. Körperdiskurse: Dämonisierung, Sexualität, Gewalt
3.1 Dämonie der Geschlechtlichkeit
Dämonie der Geschlechtlichkeit: Hexenküche und Walpurgisnacht. Imaginationen der Dämonie in der Frühen Neuzeit und in Faust I
Imaginationen des weiblichen Körpers: Hexenküche
Frühneuzeitliche Bilder einer bedrohlichen, dämonisierten Natur: „Hexenküche“
Körperängste und Disziplinierung von Sexualität und Geschlecht: Hexensabbat
Die dämonische Hexenwelt als das Andere der Vernunft: Walpurgisnacht
3.2 Mythisierung von Sexualität und Gewalt in Döblins Berlin Alexanderplatz
Die Hure Babylon als kulturelles Muster und Bewusstsein
Die „Gewaltkur“, Sexualität und Geschlecht: Franz, Reinhold und die Frauen
3.3 Ein Berlin-Roman nach der ‚Gewaltkur‘: Ingeborg Drewitz’ Gestern war heute
4. Familie, Freundschaft, Geselligkeit
4.1 Familie und Patriarchat
Von Luther zu Goethes Hermann und Dorothea
Der Begriff ,Familie‘
Zur Konstruktion des ‚christlichen Hausstandes‘
Das Konstrukt ‚Hausmutter‘ und ,Hausvater‘ in der Ökonomieliteratur
Wandlung zur ‚Familie‘ im 18. Jahrhundert
Sentimentalisierung der Familie zur Idylle: Goethes Hermann und Dorothea
4.2 Freundschaft und Geschlecht im 18. Jahrhundert Freundschaftliche
Briefe (Gleim) als homosoziale Freundschaft
Zum Konzept Freundschaft und Geschlecht
Freundschaftliche Briefe als homosoziale Freundschaft
Freiräume für Frauenfreundschaften
4.3 Literarische Geselligkeit und kulturelle Emanzipation: Handlungsspielräume für Frauen
Geselligkeit und Gesellschaft
Zur historischen Praxis literarischer Geselligkeit
Schleiermachers Konzept romantischer Geselligkeit
Geselligkeit, Bildung, Kommunikation und kultureller Raum
Kultureller Spielraum und soziales Kapital
5. Auto / Biographie, Autorschaft, Ästhetik aus der Geschlechterperspektive
5.1 Autobiographie und Geschlecht
Annäherung an den Text und das Zeitalter
Identität und Bildersturz in Anna Maria van Schurmans Eukleria (1673) Autobiographie, Subjekt und Geschlecht in der Frühen Neuzeit
Die äußere Biographie von Anna Maria van Schurman (1607-1678)
Das Ich und die gelehrte Öffentlichkeit: Zur Textgenese und Struktur der Eukleria
Selbstinszenierung in religiöser Frauenrolle: Maria und Martha
Religiöse Identität in der Eukleria
„Imago cerea mei ipsius“: Bildersturz und Identitätskrise einer Frau
5.2 Autorschaft und Geschlecht im literarischen Feld um 1800
Fichtes ,Exkurs‘ über Autorschaft und Geschlecht
Der Zensurdiskurs und die ,weibliche Feder‘
Ästhetische Normenkontrolle
Literaturproduktion und Geschlecht
Geschlecht, Kontrollfunktion und Autorschaft
Geschlecht und Autorschaft: ,Frauenliteratur‘
Epilog: Kulturelles Gedächtnis, deutsche Literatur und Gender
Auswahlbibliographie