Beschreibung
In Andreas Latzkos erfolgreichstem, 1917 erschienenen Buch "Menschen im Krieg" wird die Fratze des Krieges 12 Jahre vor Remarques Roman "Im Westen nichts Neues" ungeschminkt und unverhüllt sichtbar. Es sind Novellen von der Front des Ersten Weltkrieges, aus den Schützengräben, Lazaretten und aus den Städten, die zu den Kriegsgewinnern gehörten - nicht die politischen Ereignisse werden geschildert, auch nicht taktisch-militärische Überlegungen, sondern der Alltag und das Befinden der Soldaten, deren Bewusstsein und dunkle Instinkte. Man begegnet ihrer realen Qual, ihrem Ausgeliefertsein an eine Maschine, deren Zweck letztlich nicht mehr verstanden werden kann. Selbst wem es gelingt, diesem "Duell der Munitionsindustrien" zu entkommen, bleibt ohne Hoffnung zurück. Die Davongekommenen müssen das weitere Leben mit ihren körperlichen und seelischen Verletzungen fristen. Latzko war es ein Anliegen, die Menschen mit seiner Sprache zu packen und ihnen weh zu tun, denn nur was den Menschen durch Erwecken seiner Phantasie zwingt, am eigenen Leib zu fühlen, fügt er seinen Mitmenschen nicht mehr zu. Das in erster Auflage anonym publizierte Werk wurde in 30 Sprachen übersetzt und in allen kriegführenden Staaten verboten. Der Pazifist Latzko wurde, anders als Karl Kraus es in der "Fackel" forderte, vergessen. Dabei mitgeholfen hat die massive Ablehnung der Nationalsozialisten gegenüber dem Altösterreicher und seinem Werk - "Menschen im Krieg" gehörte zu jenen Büchern, die am 10. Mai 1933 den Bücherverbrennungen in Nazideutschland zum Opfer fielen.
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Autorenportrait
Andreas Latzko (1876-1943) wuchs in einer Bankiersfamilie auf (Vater Ungar, Mutter Wienerin). Nach der Matura absolvierte er das Einjährig-Freiwilligen-Jahr in der k. u. k. Armee. Neben verschiedenen Studien begann er für eine ungarische Zeitung zu schreiben, übersetzte für das Theater aus dem Deutschen und verfasste selbst Theaterstücke. 1901 übersiedelte Latzko nach Berlin und schrieb fortan hauptsächlich in seiner "Mutter"-Sprache Deutsch. Es gelang ihm, als Schriftsteller und Journalist im Deutschen Reich Fuß zu fassen. Vor dem Ersten Weltkrieg machte er mehrere Reisen nach Ägypten und in südasiatische Länder. Nach Kriegsbeginn folgte er der Einberufung zum Militär und wurde als Reserveoffizier an der Isonzo-Front gegen Italien eingesetzt. Dort erlitt er einen schweren Nervenzusammenbruch ("Kriegszitterer"). Nach Aufenthalten in mehreren Lazaretten wurde er zur Kur in die Schweiz entlassen. Dort verarbeitete er seine Kriegserfahrungen in Erzählungen, die zunächst in verschiedenen schweizerischen Zeitungen anonym veröffentlicht wurden, 1917 dann unter dem Titel "Menschen im Krieg" in einem Züricher Verlag (Max Rascher) als Buch erschienen. In den kriegführenden Staaten wurde es wegen seiner pazifistischen Tendenz verboten. Nach wechselnden Aufenthalten nach dem Krieg ließ Latzko sich 1920 in Salzburg nieder und lebte hauptsächlich von journalistischer Tätigkeit und Lesungen. 1943 starb er, der in keine Schublade passte, in Amsterdam und wurde dort begraben.
Rezension
„Bei dieser Gelegenheit sei allen, die sich nach einem Beweis von Europäertum in der deutschen Literatur des heutigen Krieges umsehen, nachdrücklichst die Pflicht eingeschärft, das vor einigen Wochen im Verlag Rascher u. Co., Zürich erschienene Buch 'Menschen im Kriege' sich zu beschaffen, das heißt: ihre Buchhändler zur Durchsetzung des Grenzübertrittes zu veranlassen. (.) Da dieses als Kriegsdokument wichtigste Buch (dessen Autor, Andreas Latzko, sich besser gleich in der ersten Auflage genannt hätte) an maßgebenden, den Einflüsterungen der Menschlichkeit keineswegs verschlossenen Stellen Verständnis gefunden hat, so kann der Widerstand untergeordneter Mächte nur von den noch schlechter Unterrichteten ernst genommen werden. Andere wissen den Tag nicht mehr fern, an dem das offizielle Österreich darauf stolz sein wird, daß es auch durch diese Tat am Weltkrieg beteiligt war.“ (Karl Kraus, Die Fackel, Wien 1917)
Es ist Latzko gelungen, dabei weder plakativ noch abstrakt zu werden. Im Gegenteil: In seinen Erzählungen hat er grandiose Bilder und Szenen entworfen, differenzierte Figuren entwickelt, die das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und erleben. Und seine Sprache ist so konkret, plastisch und lebendig, dass sie sich gegen Tod und Vernichtung stemmt. (Dorothee Schmitz-Köstler, Radio Bremen)
Karl Kraus bezeichnete das 1917 erstmals veröffentlichte Buch als Pflichtlektüre. (Kurier)
Menschen im Krieg – eine glatte Leseempfehlung jenseits aller aktueller Jubiläen. (Klaus Kastberger, Ö1 - Ex Libris)
Mit diesem endlich wiederentdeckten Buch hat sich Andreas Latzko in eine Reihe mit Autoren wie Henri Barbusse, Romain Rolland, Leonid Andrejew, Blaise Cendrars gestellt, die noch während des Ersten Weltkriegs literarischen Gerichtstag über diesen, seine Hetzer und Profiteure hielten. (Karl-Markus Gauß, Die Presse Spectrum)