Beschreibung
In einem von Merleau-Ponty und Foucault angeregten Rückblick auf Descartes und Kant (Kap. I-III) erprobt dieses Buch einen in den Standarderzählungen der Philosophiegeschichte verschütteten Gedankengang: dass das Selbst zunächst kein Gegenstand der Erkenntnis, des Wissens oder des Erzählens ist, dass es aber auch nicht in einer uferlosen Kontingenz sich auflöst, der man allein noch nachträglich narrativ scheint Rechnung tragen zu können. Es existiert vielmehr als bezeugtes bzw. als auf Bezeugung angewiesenes und stellt sich insofern keineswegs nur als ein Verhältnis zu sich heraus (Kierkegaard), sondern erweist sich als vom Anderen her dazu herausgefordert, 'jemand ' zu sein für sich und Andere. Dieser Gedanke rückt nach Kierkegaards HegelKritik (Kap. IV) und dramatisiert durch den Verzicht auf einen absoluten Zeugen, wie ihn Sartre beschrieben hat (Kap. V), im Ausgang von Heidegger vor allem bei Ricoeur und Arendt in den Vordergrund (Kap. VI/VII). Doch der Begriff des Anderen ist in sich ebenso vieldeutig wie der Anspruch, der in dieser Herausforderung zur Geltung kommt. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass der Anspruch des Anderen zwischen einem bloß appellativen Sinn einerseits und Prätentionen andererseits schwankt, in denen tatsächlich eine Berechtigung, ein gerechter Anspruch oder ein Recht im engeren Sinne zum Ausdruck kommen kann. Indem das Selbst nicht etwa nur sich selbst, sondern sich als vom Anderen herausgefordertes bezeugt (Kap. VIII), muss es sich dessen Anspruch genau in diesem Schwanken, in dieser Vieldeutigkeit stellen. Und nur so, im Lichte eines nicht eindeutigen Anspruchs des Anderen wird aus dessen Bezeugung auch eine politische Angelegenheit (Kap. IX).
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Autorenportrait
Burkhard Liebsch lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig. Bei Velbrück Wissenschaft hat er veröffentlicht: Gastlichkeit und Freiheit. Polemische Konturen europäischer Kultur (2005); Revisionen der Trauer. In philosophischen, geschichtlichen, psychoanalytischen und ästhetischen Perspektiven (2006); Subtile Gewalt. Spielräume sprachlicher Verletzbarkeit (2007); Menschliche Sensibilität. Inspiration und Überforderung (2008); Renaissance des Menschen? Zum polemologisch-anthropologischen Diskurs der Gegenwart (2010).
Inhalt
Vorwort
Einleitung
I. Das Selbst nach Descartes –
im Rückblick Merleau-Pontys
II. Fragen nach dem Selbst als Anachronismus?
Von Rousseau zu Kant
III. Das Aufbrechen der Wer-Frage in der Moderne.
Kant im Rückblick Foucaults
IV. Das bezeugte, einzige Selbst. Kierkegaard gegen Hegel
V. Das Selbst mangels eines absoluten Zeugen.
Sartres existenzielle Hermeneutik auf den Spuren
Kierkegaards
VI. Selbst-Bezeugung: vom Dasein zur narrativen
Identität? Ricoeur antwortet Heidegger
VII. Verlassenheit und Verrat. Ricoeur, Arendt und das
Missverhältnis zwischen erzähltem und praktischem
Selbst
VIII. Zeugnis für den Anderen – in der Nähe der Gewalt.
Levinas mit Blick auf Foucault
IX. Der bezeugte Anspruch des Anderen als Recht des
Fremden? Lyotard und transnationale Perspektiven
gastlicher Demokratie: Derrida
Epilog