Beschreibung
Im Frühjahr 1945 konzentrieren sich am unteren Niederrhein Menschenmassen unvorstellbaren Ausmaßes: Linksrheinisch rollen mit den militärischen Operationen nach dem „Sprung über den Rhein“ (23./24. März 1945) die Transporte von hunderttausenden von deutschen Kriegsgefangenen östlich des Rheins in die Lager am linken Niederrhein (z.B. ca. 350.000 Soldaten nach der Kapitulation im sog. Ruhrkessel). Sie werden regelrecht abgeladen auf den Feldern und Wiesen in der Rheinebene bei Büderich, Rheinberg und Wickrathberg (Mönchengladbach), die drei Großlager in NRW. Die Amerikaner errichten zudem am Mittelrhein bei Remagen-Sinzig-Andernach und in siebzehn anderen Orten Lager für die Gefangenen, die unter erbärmlichsten Verhältnissen für Wochen oder Monate dahinvegetieren müssen. Die Massen von deutschen Soldaten sollen streng isoliert werden, damit kein Widerstand oder Partisanenkampf aufkeimen kann. In Erlebnisschilderungen und Berichten von ehemaligen Kriegsgefangenen und in vielen Abbildungen werden die Zustände und Probleme fassbar gemacht. Darüber hinaus geben ausführliche Stellungnahmen von alliierten Kommandeuren zu den Lagerbedingungen die Situation einprägsam wieder.
Zu diesen Menschenmassen auf den „Rhine Meadow Camps“ kommen die zigtausenden Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die sich ihrer Gefangenschaft nach der alliierten Eroberung der links- und rechtsrheinischen Gebiete entledigen und sich in Richtung Heimat oder marodierend in der Region auf der Suche nach Nahrung bewegen, wobei es auch zu Überfällen, Raub und Mord kommt. Im Buch sind ausführlich die Lager oder auch Betriebe jeweils nach den Dörfern und Städten aufgeführt, die „Fremdarbeiter“, wie sie in der NS-Zeit bezeichnet wurden, beschäftigten. Und diese Zahlen sind letztlich nicht vollständig, da es z.B. auch in größeren Familien und Kleinbetrieben Anforderungen und Zuweisungen von Zwangsarbeitern gegeben hat. Das ganze Ausmaß an zwangsdeportierten Menschen am unteren Niederrhein (Kreise Kleve, Wesel) wird über die Zahlen und Nationalitätenangaben deutlich. Und diese Displaced Persons versuchen die Briten in ihrem Besatzungsgebiet zu sammeln. Eine Strategie ist die Errichtung von Sperrkorridoren längs der Flüsse Rhein, Ems, Weser und Elbe. Ein großes Sammellager befindet sich in Kevelaer, das als Durchgangslager konzipiert ist. Ein weiteres riesiges DP-Lager ist von den Briten in Haldern (heute Ortsteil von Rees) aufgebaut worden: mit einer Belegungsquote von 12-15.000 DPs. Und wie das Leben im Lager und außerhalb des Lagers vor sich geht, wird durch Zeitzeugenberichte verdeutlicht. Ebenfalls werden die problematischen Verhältnisse in den Polenlagern Dornick, Praest und Vrasselt skizziert.
Das Zwangsarbeiterlager in Rees (Groin) sowie die Grenzregion des Achterhoek werden im Buch berücksichtigt, wobei auch Aspekte des niederländischen Widerstandes und die „Onderduiker“ in Aalten und Umgebung thematisiert werden.
Inhalt
INHALT Fremd im Feindesland – Fremd im Heimatland. Spurensuche 1945/46 am Niederrhein 7
Erste Annäherungen 7
Erste Spuren 9
Exkurs – Einige unbekannte Aspekte in der Endphase des Krieges 1944/45
Die Lage 21
Polnische Streitkräfte: 1. Polnisches Korps 25
1. Polnische Selbstständige Fallschirmjägerbrigade 26
Nach dem Sprung über den Rhein 31
1. Polnische Panzerdivision 35
Polnische Besatzungsmacht im Emsland 40
Fremd im Feindesland - Arbeitskräfte 44
Wirtschaft und Arbeitskräfte in den Dreißiger/Vierziger Jahren 44
Die Zwangsarbeiter und die Displaced Persons 52
Abklärungen 52
Fluchtbewegungen im Laufe des Rhein-Übergangs 56
Die Geschichte der Zwangsarbeiter 57
SHAEF – UNRRA – IRO 63
Fremd im Feindesland - Die Lager 69
Das „Zwangsarbeiterlager Rees“ 1944/45 69
Flucht vor der Zwangsarbeit – Phänomen der „Onderduikers“ 74
Die Schwerlast der Erinnerung ... in Briefdokumenten 77
... eingebrannt im kindlichen Gedächtnis 80
Zwangsarbeiter-, Arbeits- und Kriegsgefangenenlager 81
am unteren Niederrhein
Fremd im Heimatland – Das Leben mit den DPs
Grundproblem: Kriminalität und asoziales Verhalten 96
Grundproblem: Ernährung und Versorgung 97
Das DP-Lager Haldern in Zeitzeugenberichten 100
In geheimer Mission in Deutschland 1944/45
und im DP-Camp Haldern 100
Das UNRRA-Lager in Haldern im Sommer 1945 104
Erinnerungen eines Neunjährigen – Dr. Werner-Francisco Bär 104
Interview mit Johann Bongardt 113
Interview mit Johann Giesen 114
Erinnerungen von Theodor Seesing 116
Interview mit Johanna Köster 117
Interview mit Ida Giesing 118
Erinnerungen von J.B. 120
Kriegsgefangene auf dem Stuvenberghof – Josef Storm 122
Erinnerungen von Werner Giltjes 124
Erinnerungen von Hermann Bollmann - Russenlager 125
Das DP-Lager in Kevelaer 128
Die DP-Lager in Dinslaken 130
Emma Üffing, Sr. Maria Euthymia 132
Heinrich Theisselmann 133
Hermann Scheipers 134
Der ITS 135
Listen und Vorgänge 137
Monatsreport des Assembly Center Haldern 414. S.141
Die Managementkonzeption der Alliierten 145
Zweck der Meldung und Registrierung 167. S. 150
Fremd im Heimatland - Die Rheinwiesenlager 154
Die Explosion der Gefangenenzahl 154
Merkmale der Rheinwiesenlager 156
Das Lager Rheinberg 159
Die Errichtung des Lagers 159
Die „Behausungen“ 161
Die Verpflegung 162
Die Bewachung und Bestrafung 164
Außenkontakte 164
Medizinische Versorgung 165
Tagebuch-Aufzeichnungen von Friedrich Kämper 167
Josef Nowaks Erlebnisschilderungen 175
Guarding Prisoners of War in Germany 179
Colonel Tom Durrant: Time and Chance – A Memoir 184
Das Lager Büderich 189
Bericht des Hauptmanns Wolfgang von Richthofen 193
Schilderungen des Oberstleutnants Kurt Nacken 198
Erinnerungen des Karl van Husen 200
Zwei Lagerkarrieren 202
Das Lager Wickrathberg 202
Das Kriegsgefangenen-Entlasslager Wissen bei Weeze 203
Die wundersame Geschichte des Kurt H. 206
Der Flüchtlingsstrom 208
Eine Geste der Versöhnung – Merrit P. Drucker 211
Abkommen: Genfer Konvention 214
Literatur und Quellenverzeichnis 216
Danksagung 223
Prolog zur Einweihung: Mahnmal des Lagers Büderich 224