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Ehepaare vor Gericht

Konflikte und Lebenswelten in der Frühen Neuzeit, Geschichte und Geschlechter 51

Erschienen am 15.05.2006, 1. Auflage 2006
46,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593379746
Sprache: Deutsch
Umfang: 408 S.
Format (T/L/B): 2.7 x 21.3 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Mehr als 400 Ehepaare traten in den Jahren von 1650 bis 1770 in Holstein vor Gericht, um die Trennung von ihrem Ehepartner zu erreichen. Die dort ausgetragenen Konflikte betrafen die Ökonomie der Familie, die eheliche Sexualität, den Lebenswandel des Ehepartners, die Handlungsräume in der Ehe sowie religiöse Differenzen und emotionale Enttäuschungen. Aus den überlieferten Akten lassen sich die Strategien der Eheleute vor Gericht, die zeitgenössischen Diskurse über die Ehe und der Umgang der geistlichen wie weltlichen Obrigkeit mit den streitenden Paaren rekonstruieren. Alexandra Lutz bietet einen umfassenden Einblick in den Alltag der Ehepaare, in ihre Gefühle und Vorstellungen, aber auch in die gesellschaftlichen Erwartungen und Normen jener Zeit.

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DE 69469 Weinheim

Autorenportrait

Alexandra Lutz, Dr. phil., promovierte an der Universität Kiel und ist Dozentin an der Archivschule Marburg.

Rezension

Geschichte und Geschlechter Herausgegeben von Claudia Opitz-Belakhal, Angelika Schaser und Beate Wagner-Hasel

Leseprobe

Am 9. Mai des Jahres 1650 erhielt ein Hamburger Notar in seinem Haus auf dem Mönkebergdamm Besuch von einer Frau namens Margreth Warner. Diese hatte einige Monate zuvor ihren Ehemann verlassen und war mit ihren beiden Kindern aus dem im westlichen Holstein gelegenen Glückstadt in die Großstadt gezogen, weil sie sich und ihre Kinder, wie sie angab, hier besser unterhalten konnte. Sie hatte eine Arbeit als Wäscherin gefunden und verdiente genug, um sich und die Kinder zu ernähren. Der verlassene Ehemann hatte sich mit dieser Trennung jedoch nicht zufrieden gegeben und sie bei dem regionalen Konsistorialgericht verklagt, das für die Regelung von Ehestreitigkeiten, für die Aussprache von zeitlich befristeten Trennungen und für Scheidungen zuständig war. Margreth Warner hatte eine Zitation vor dieses Gericht zugestellt bekommen und sollte nun, nach Willen der Richter, am 20. Mai des Jahres dort erscheinen. Die Frau verwahrte sich dagegen, die Reise in den Gerichtsort Itzehoe anzutreten, und suchte stattdessen den Notar auf, der für sie eine Aussage über die Ehekonflikte und die Begründung ihres Fernbleibens festhalten und an das Konsistorium senden sollte. Margreth Warner habe ihm, wie er niederschrieb, eine Schilderung des Verlaufs ihrer sechsjährigen Ehe und die zahlreichen Klagepunkte, die sie gegen ihren Mann vorzubringen hatte, "in die Feder dictiert". Danach habe ihr Mann während all der Jahre nichts zum Unterhalt der Familie beigetragen und sich eher als ein zusätzlicher "Kostenfaktor" erwiesen. Er habe getrunken, selten gearbeitet, das verdiente Geld nur für sich ausgegeben und schließlich auch begonnen, sie zu schlagen. Fast ein Jahr, nachdem sie dieses Schreiben hatte aufsetzen lassen, erhielt Margreth Warner eine Reaktion seitens des Konsistoriums. Sie wurde von einem Notar und zwei Zeugen in ihrer Kellerwohnung am Hamburger Neumarkt aufgesucht und erneut zu einem Erscheinen vor dem Gericht aufgefordert. Man drohte ihr im Auftrag des Konsistoriums damit, dass sie im Falle ihres Ausbleibens geschieden werden könne, und erhielt hierauf die lapidare Antwort, dass ihr gerade das sehr recht sei: Eine Scheidung, so Margreth Warner, sei genau das, was sie begehre. Ihr Mann, Paul Warner, solle den Tag nicht erleben, an dem sie wieder an seine Seite komme. Diese nach Meinung des Notars "trotzigen und frechen Worte" wie auch die Handlungen der Margreth Warner passen nicht zu den Vorstellungen, die in der bisherigen Forschung hinsichtlich der Handlungsräume bei Ehekonflikten in der Frühen Neuzeit zu finden sind. Wird doch oftmals davon ausgegangen, dass die Eheleute wirtschaftlich voneinander abhängig waren und vor allem die Ehefrauen kaum eine Möglichkeit besaßen, sich aus einer unglücklichen Ehe zu lösen. Die Aussage der Margreth Warner widersprach jedoch auch den frühneuzeitlichen Ehelehren und den Ordnungsvorstellungen der Eherichter. Ihre Aussagen wurden deshalb von dem Notar schriftlich festgehalten, von den beiden Zeugen bestätigt und dem Münsterdorfischen Konsistorium übersandt. Dort, in der Überlieferung des Münsterdorfischen Konsistoriums, findet sich heute das erste notarielle Schreiben, in dem die Aussagen der Margreth Warner auf zwölf Seiten wiedergegeben werden, und auch das Notariatsinstrument über ihre zweite, erfolglose Zitation. Beide Schriftstücke bilden den ersten Fall eines umfangreichen Quellenkorpus, in dem für die Jahre ab 1650 die Ehekonflikte und Scheidungsgesuche von Ehefrauen und Ehemännern aus der im westlichen Holstein gelegenen Propstei Münsterdorf ihren Niederschlag fanden. Für die Jahre bis 1770 ließen sich in dieser Überlieferung weitere 420 Ehekonflikte belegen.

Inhalt

1. Einleitung 1.1. Einführung 1.2. Forschungsstand 1.3. Theorien und Methoden 1.4. Quellen 1.5. Aufbau der Arbeit 2. Der Rahmen 2.1. Der Untersuchungsraum 2.2. Das Konsistorium und das Gerichtsverfahren 2.3. Der Umgang der Obrigkeit mit den Ehekonflikten 2.4. Die sozialen Zuordnungen 2.6. Die Urteile 3. Die Diskurse 3.1. Das Scheidungsrecht und der juristische Diskurs 3.2. Der Ehediskurs bei Luther und in der Hausväterliteratur 3.3. Die Ehediskurse und deren Vermittlung in der Propstei Münsterdorf 3.4. Die Argumente der Eheleute 4. Die Konfliktursachen und Konfliktabläufe 4.1. Die Ursachen der Ehekonflikte 4.1.1. Emotionen 4.1.2. Sexualität 4.1.3. Lebenswandel und Alkoholkonsum 4.1.4. Ökonomische Not 4.1.5. Handlungsräume und Hierarchien 4.1.6. Religion 4.2. Die Konfliktabläufe und Mittel der Konfliktaustragung 4.2.1. Injurien 4.2.2. Gewalt 4.2.3. Symbolische Handlungen 4.3. Die Reaktionen der Umwelt: Zwischen Kontrolle und Hilfe 4.3.1. Familie 4.3.2. Nachbarschaft und weitere Umwelt 5. Schluss 6. Danksagung 7. Quellen und Literatur 7.1. Quellen 7.2. Literatur

Schlagzeile

Geschichte und Geschlechter Herausgegeben von Claudia Opitz-Belakhal, Angelika Schaser und Beate Wagner-Hasel

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