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Geh über Wörter wie über ein Minenfeld

Lyrik und Prosa, Campus Judaica 25

Erschienen am 11.05.2009, 1. Auflage 2009
44,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593389066
Sprache: Deutsch
Umfang: 389 S.
Format (T/L/B): 2.8 x 21.7 x 14.8 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Mit einer Einleitung von Heather Valencia Abraham Sutzkever zählt zu den bedeutendsten Dichtern der jiddischen Literatur. Die Shoa, der er selbst nur knapp entkam, ist der zentrale Bezugspunkt seines Werkes, das zugleich große literarische Eigenständigkeit besitzt. Es wurde in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt, in Deutschland ist es bislang jedoch nahezu unbekannt. Dieses außergewöhnliche Buch führt in Leben und Werk Sutzkevers ein und stellt eine große Auswahl seiner Gedichte und Prosastücke in deutscher Übersetzung vor.

Produktsicherheitsverordnung

Hersteller:
Campus Verlag GmbH
info@campus.de
Werderstr. 10
DE 69469 Weinheim

Autorenportrait

Abraham Sutzkever, 1913 geboren, war während des Zweiten Weltkriegs im Wilnaer Ghetto im Widerstand aktiv. Nach der Flucht aus dem Ghetto, kurz vor dessen Liquidierung, wurde er 1944 vom Jüdischen Antifaschistischen Komitee nach Moskau ausgeflogen. Er sagte 1946 als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen aus und floh im Jahr darauf vor den stalinistischen Säuberungsprozessen nach Palästina, wo er die Literaturzeitschrift 'Di goldene kejt' ('Die goldene Kette') herausgab. Heute lebt Abraham Sutzkever 95-jährig in Tel Aviv.

Rezension

Campus Judaica Herausgegeben von Renate Heuer

Leseprobe

Sutzkevers Leben und Lyrik Heather Valencia "Geh über Wörter wie über ein Minenfeld: Ein falscher Tritt, eine falsche Bewegung, und alle Wörter, die du ein ganzes Leben lang auf deine Adern aufgezogen hast, werden zerfetzt, und du mit ihnen " Das flüsterte mir mein leiblicher Schatten zu, als wir beide, geblendet von Scheinwerfer-Windmühlen, bei Nacht ein blutiges Minenfeld überquerten und jeder meiner Schritte, gesetzt auf Tod oder Leben, auf meinem Herzen kratzte wie ein Nagel auf einer Geige. Diese Worte beziehen sich auf ein Erlebnis Abraham Sutzkevers, als er und seine Frau im März 1944 bei Nacht ein vermintes Gelände überqueren mussten, um ein kleines Flugzeug zu erreichen, das sie in Sicherheit bringen sollte. Gleichzeitig könnten sie als Motto über seinem ganzen Leben und Schaffen stehen. Wörter sind Sutzkevers Existenz; sie leben in ihm, und er ist von ihnen abhängig. Wörter sind aber genauso zerbrechlich und explosiv wie Minen; würde er sie falsch behandeln oder zerstören, wäre auch sein eigenes Leben zu Ende. Abraham Sutzkever (jiddisch Awrom Sutskewer) gilt als der bedeutendste lebende Schriftsteller jiddischer Sprache und einer der größten Dichter des 20. Jahrhunderts überhaupt. Sein Werk umfasst Lyrik, epische Gedichte, kurze Prosa, autobiographische Schriften und Literaturkritik. Er hat die jiddische Literatursprache auf eine vorher unerreichte Höhe gebracht und sie durch vielfältige Neuschöpfungen bereichert. Seine Lyrik vereinigt eine klassische Strenge in Metrum, Reim und regelmäßiger strophischer Form mit einer großen sprachschöpferischen Ausdruckskraft. Sutzkevers Leben umspannt das ganze 20. Jahrhundert, und sein Werk spiegelt das Schicksal der Juden Osteuropas während jener verhängnisvollen Epoche. Er selbst entkam nur mit knapper Not der Katastrophe seines Volkes, und sein erneutes Leben und Schaffen nach dem Kriege rechtfertigt, dass er sich in einem späteren Gedicht mit einer Mischung aus Selbstironie und Stolz als "Phönix-Mensch" bezeichnet (S. 226). Seine Biographie ist äußerst aufschlussreich, ihre Kenntnis sogar unentbehrlich für das Verständnis seiner Dichtung und Prosa, wie Jost Blum geschrieben hat: "Sutzkevers Werk folgt eng den Linien seines eigenen äußeren und inneren Erlebens; es ist in hohem Maße autobiographisch, ohne sich je im Autobiographischen zu erschöpfen oder zu verlieren: Vielleicht wurden gerade deshalb große Teile seines Werkes zu einer unvergleichlichen dichterischen Chronik dieser grausam verfolgten Generation." Der literarische Hintergrund Die literarische Tradition, der Sutzkever entstammte, ist zugleich eine sehr alte und eine ziemlich junge. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts kann man überhaupt von einer modernen Literatur auf Jiddisch sprechen. Sie gründete jedoch auf einer viel älteren Tradition. Das zweitausend Jahre alte hebräische Schrifttum - hauptsächlich religiös, aber immer auch mit einer säkularen Komponente - übte einen wesentlichen Einfluss auf alle jüdischen Literaturen aus, somit auch auf die moderne jiddische Prosa und Lyrik. Die meisten modernen jiddischen Schriftsteller stammten aus traditionell-religiösen Familien, erhielten eine jüdische Erziehung und waren mit der hebräischen und biblischen Literatur vertraut. Deshalb kann man von einem unmittelbaren und tiefen Einfluss dieser Tradition auf ihr Werk sprechen; das trifft auch auf Sutzkever zu. Die jiddische Literatur der Moderne entstammte einer älteren Literatur auf Jiddisch, die verschiedene Genres umfasste: Gebete, ethische, religiöse und philosophische Abhandlungen, Bibelparaphrasen, Helden-Epen, Fabeln, Volksmärchen und Lyrik. Sie blühte vom frühen Mittelalter bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, schwand dann allmählich dahin. Sutzkever hatte gute Kenntnisse dieser älteren Tradition: Im Jahre 1938 hat er altjiddische Philologie und Literatur bei Max Weinreich in Wilna studiert. Sutzkever selbst hat auch mit Gedichten in Altjiddisch experimentiert und einen der bekanntesten jiddischen Texte aus dem Mittelalter, das Bovo-buch von Elie Bocher, in modernes Jiddisch übersetzt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstand eine neue jiddische Literatur, die mit den sogenannten drei Klassikern, Mendele Mojcher Sforim, Jitschok Lejbesh Perets und Sholem Alejchem, begann, denen viele andere Schriftsteller, hauptsächlich Prosaiker, folgten. Die moderne jiddische Lyrik entwickelte sich erst später, gegen Ende des Jahrhunderts, doch machte sie in einem rasenden Tempo Wandlungen durch, die bei anderen europäischen Literaturen mehr als ein Jahrhundert dauerten. Der Auslöser für diese erstaunlichen Entwicklungen waren die weitreichenden religiösen und gesellschaftlichen Umwälzungen, die ab Mitte des 18. Jahrhunderts die ehemals geschlossene osteuropäische jüdische Welt aufrüttelten. Die chassidische Bewegung breitete sich über große Teile Russlands und Polen aus: Ihre Anhänger lehnten den ihrer Meinung nach erstarrten rabbinischen Judaismus ab und suchten Gott in der Natur. Der Einzelne versuchte, Gott durch Musik, Tanz und seine eigenen Gebete in seiner Muttersprache - Jiddisch - zu erreichen. Einige ihrer Anführer - zum Beispiel der Baal Shem Tov, Gründer der Bewegung, und Reb Nachman Bratslaver - hinterließen einen literarischen Korpus auf Jiddisch in Form von mystischen, volkstümlichen Märchen und Sagen. Die moderne jiddische Dichtung schöpfte aus dieser Quelle, und chassidische Motive sind sogar bei Schriftstellern zu finden, die eher als weltlich zu bezeichnen sind. Gleichzeitig wurde die jüdische Welt durch eine von Deutschland ausgehende und sich später über Osteuropa ausbreitende Aufklärungsbewegung (Haskala) aufgerührt. Die Aufklärer, oder maskilim, wollten erreichen, dass die europäischen Juden in die moderne Welt eintreten und sich für die intellektuellen und wissenschaftlichen Fortschritte der nicht-jüdischen Welt öffnen. Für die maskilim war die jiddische Sprache ein besonderer Streitpunkt, weil sie Hebräisch als Kultursprache vorzogen und außerdem dafür eintraten, dass sich die jüdische Bevölkerung der jeweiligen Landessprache bedienen sollte. Allerdings mussten sich die Schriftsteller der Haskala auch des Jiddischen bedienen, um mit den Lesern kommunizieren zu können. In den meisten Fällen begannen sie dabei, die Sprache lieb zu gewinnen, und förderten ihre Entwicklung zu einer Literatursprache. Diese zwei entgegengesetzten Bewegungen kündigten tatsächlich den Anfang einer neuen Phase in der jüdischen Geschichte an, die zur allmählichen Auflösung der traditionellen ostjüdischen Welt führen sollte. Dieser Prozess begann sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu beschleunigen, als sich neue Ideen durch die jüdischen Gemeinden Osteuropas ausbreiteten: Der Sozialismus, der in dem 1897 gegründeten Bund seine spezifisch jüdische Dimension hatte, und die zionistische Bewegung, die für die vielfältigen Probleme der in Russland und Polen lebenden jüdischen Massen eine Lösung versprach. Diese Strömungen gingen mit einer wachsenden Migration von hauptsächlich jungen Leuten aus den Dörfern und shtetlech in die Großstädte des Jüdischen Ansiedlungsgebiets einher. Bis zur Jahrhundertwende hatten Städte wie Lodz, Warschau und Kiev große jiddischsprachige Bevölkerungen, von denen die meisten in den Fabriken und Werkstätten der sich rasch industrialisierenden Städte arbeiteten. Die traditionelle jüdische Gesellschaft Osteuropas wurde also im Laufe des 19. Jahrhunderts weitgehend umgestaltet; dadurch entstand eine moderne, der Weltkultur offene jiddische Literatur, zuerst in Osteuropa und später in Amerika sowie in anderen Migrationsländern. Dass die moderne jiddische Prosa vor der Lyrik erschien, ist leicht zu verstehen. Für Romane und Erzählungen gab es ein zahlreiches Publikum, und die volkstümliche, noch nicht ganz modernisierte jiddische Sprache eignete sich viel besser für Prosa: Sie wurde erst um die Jahrhundertwende allmählich zu einer kultivierten, modernen Sprache. Und in der Tat ents...

Inhalt

Inhalt Erinnerungen an den Verleger Frank Schwoerer Renate Heuer Sutzkevers Leben und Lyrik Heather Valencia Lyrik Sibir / Sibirien (1936/1953) Gedichte (1937) Nocturne Hier bin ich In des Windes Rucksack Tanzlied Die Ghetto-Tore Waldiges (1940) Alles lohnt mir, dass mein Auge wandert, ... Die Flussufer Verlorenes Nest Landschaft Bis hinter die Sonne Ich hatte mit geschlossnen Augen ... aus: Die Festung (1945) / Gedichte aus dem Ghetto (1946) / Jüdische Gasse (1948) u.a. Krieg Ameisennest aus: Gesichter im Morast (Manuskript 1941) Ich liege in einem Sarg Ein Wagen Schuhe Zum Kind Wie nur? Unter deinen weißen Sternen Ein Augenblick Die Lehrerin Mira Verbrannte Perlen Mit dreißig Jahren Die bleiernen Platten aus Romms Druckerei Ähren Erfrorene Juden Man sucht uns. Ein achtloses Wort ist ein Messer ... aus: Epitaphe Auferstehung der Toten Schwarze Dornen aus: Im Feuerwagen (1952) Hätt ich mich dir nicht zugewandt ... Shabazi Auf Kains Grab Ma'ale 'Aqrabbim Rothaarige Städte Hirsche am Roten Meer Die letzte Linie aus: Kommentare zu einem Gesicht im Spiegel Begegnung aus: Ode an die Taube (1955) Ode an die Taube aus: Elefanten in der Nacht - Reise durch Afrika 1950 aus: In der Wüste Sinai (1957) Else Lasker-Schüler Mein Vater Spielzeuge aus: Rauch von jüdischen Kindern Perets Markish Poesie aus: Oase (1960) Der Weg zum Paradiesgarten Der blinde Milton Eine Winternacht aus: Vierkantige Lettern und Wunder (1968) An Rochl Korn Beim ersten Regen Das Lächeln von Maidanek Ein Zeuge Morgens nach einer Nacht in Jaffa Wüstensonne Die dritte Stille aus: Reife Gesichter (1970) Das Seelenauge weint in Bildern ... Zweig mit letzten Kirschen Barfuß Feuerwehrmänner Die Opferung des Isaak aus: Die Fiedelrose (1974) Die Fiedelrose Jugendfreund Fingerspitzen Meilenweit von mir entfernt Verwandlung Gedicht über Tee Dem Ungesehenen entgegen Garten-Eden-Gedicht Klänge von Violoncellos Dornensträucher aus: Aus alten und jungen Manuskripten / 1935-1981 (1982) Erste Liebe (1936) Fragment (1950) Das blaue Pferdchen (1954) Meeresluft (1972) Gelächter unterm Wald (1978) Tropfen Wein (1978) Elegisch (1978) Nadellicht (1978) aus: Zwillingsbruder (1986) Die roten Ziegel deines Leibs - du hast vergessen ihren Bau ... Wer wird bleiben, was wird bleiben? Bleiben wird ein Wind ... Bei Tag ein Begräbnis, bei Nacht ein Konzert ... Erklären? Wie denn bloß erklären? ... Der Lehm der Zeit ist weich geworden. Schon geht auf der Teig ... Es ist nicht mehr, das grüne Augenpaar, lang lang lang her. So grün ... Du Augenblick, kaum abgeschieden, bist du wie ein Bruder ... Aus Bäumen macht man wundervoll Papier. Und ich: das Gegenteil ... Erinnerung an Pasternak: Die Erde seines Haarschopfs ... Und wenn ich pilgere zu meiner Heimatstadt im Winter ... Im Lachen seiner Einsamkeit hat mal auf einem Flohmarkt in Paris ... Ein Brief kam bei mir an aus meiner litauischen Heimatstadt ... Aus zornerfülltem Salz der Horizont. Und Karawanen ... Die beißend-saure Bitterkeit der letzten Preiselbeere ... Ich habe heute Michoels gesehn, ein Loch im Kopf - ein Orden ... Zu mir gehört die abgehackte Hand, die ich vor Jahr und Tag ... Erinnerungen: ein Spaziergang einst mit Marc Chagall. Ein bunter ... Die Frau zeigt ihrem kleinen Sohn: Der da am Tisch ... Erinnerung an drei Flamingos am Victoria-See ... Von all den Wörtern bin ich neidisch auf nur dieses eine Wort ... Ich sag zu meinen Füßen: Habt ihr etwa Angst vorm Regen ... Eine linde, gebogene Luft, und ein Regen aus Reis ... Seit meine fromme Mame Erde aß am Jom Kippur ... Erzähl, was dachtest du zu ...

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Campus Judaica Herausgegeben von Renate Heuer

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