Volker Ullrich erzählt die Geschichte Weimars für unsere Zeit, denn Demokratien sind fragil. In elf Kapiteln werden wichtige Ereignisse und Wegmarken dargestellt. Nichts war zwangsläufig und unvermeidbar, von den Anfängen in der Revolution von 1918 bis zum Januar 1933, wo man glaubte, Hitler einhegen zu können. Es kommt auf die konkreten Handlungen einzelner Personen an - damals wie heute. Volker Ullrich hat die Gegenwart fest im Blick. Das „Thüringer Modell“ lässt einen schaudern, denn dort zog 1930 die NSDAP erstmals in eine Landesregierung ein.
Als Hans, eine fiktive Person, die junge und schöne Stiefmutter seines Schulfreundes Hellmut Quandt kennenlernt, ahnt er noch nicht, welche Rolle Magda in seinem Leben spielen wird. Noch ist die Weimarer Republik im Aufbruch und vieles scheint möglich. Hans und Magda beginnen eine Affäre, denn sie will aus ihrer Ehe ausbrechen und er seine Homosexualtität verbergen. Als die aufstrebende Magda dann Frau Goebbels und eine glühende Nationalsozialistin wird, kommt es zum Bruch. Nora Bossong beschreibt über zwanzig Jahre den Weg zweier Menschen und damit eines Landes.
„Am besten wäre ja, man könnte ein Leben probeweise erfahren, bevor man es wirklich lebt.“ Endlich wieder eine Neuerscheinung von Saša Stanišić. Schon der Buchtitel ist typisch oder sein Hinweis zu Beginn „Bitte der Reihe nach lesen“. Man muss einfach alles lesen, was dieser Sprachjongleur schreibt. Übrigens kommt auch „Maria Hilf in Bad Mergentheim“ ganz kurz vor, ohne das Internat näher zu beleuchten.
Im Dankesnachwort schreibt Elizabeth Graver „obwohl Kantika ein Roman ist, habe ich mit der Grenze zwischen Fakt und Fiktion gespielt und mich auf die Erfahrungen realer Personen gestützt“. Graver hat hiermit ihrer Großmutter Rebecca Cohen ein Denkmal gesetzt und ein halbes Jahrhundert jüdischer Geschichte aus deren Sicht geschildert mit den Stationen Konstantinopel, Barcelona, Havanna und New York. Eine opulente Familiengeschichte mit Tiefgang und einer starken Frauenpersönlichkeit. Absolut lesenswert.
Im Mai und Juni 1940 überrollt die Wehrmacht Frankreich und hunderte von Exilanten sind erneut auf der Flucht, bzw. erst einmal in Internierungslagern der Vichy-Regierung. Ein who is who der deutschen Intellektuellen: Anna Seghers, Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel, Hannah Arendt etc., etc.. „Für alles, was hier erzählt wird, gibt es Belege, nichts wurde erfunden“, schreibt Uwe Wittstock in seinem Vorwort. Ein Klima aus Verfolgungs- und Überlebensangst, aber auch der Fluchthilfe durch eine Gruppe Amerikaner.
Es sind die neunziger Jahre in Italien. In den Kneipen wird geraucht, an den Tankstellen wird man bedient. Alex Capus bezieht ein einsam stehendes Steinhaus am Sonnenhang eines Weinbergs. Dort verbringt er als angehender Schriftsteller viel Zeit, um seinen ersten Roman zu schreiben. Dies ist eine nostalgische Erinnerung an eine vergangene Zeit mit Münztelefon und ohne Internet. Er setzt sich autobiographisch mit dem Prozess des Schreibens auseinander: „Auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller können nur erzählen, was sie in sich haben“.
Nürnberg 1946. Zum ersten Mal wurden hier die Hauptverantwortlichen eines verbrecherischen Regimes zur Rechenschaft gezogen - vor Gericht. Im Press Camp auf Schloss Faber-Castell bei Nürnberg wurden die ausländischen Pressevertreter untergebracht. Ein who is who berühmter Schriftsteller und Reporter aus aller Welt - aus Ost und West noch vor dem Beginn des Kalten Krieges. Es wurde diskutiert, getanzt, getrunken, gestritten, über Schuld, Sühne und Gerechtigkeit nachgedacht und verzweifelt.
„Frühmorgens bricht ein junger Mann mit dem Fahrrad in die Straßen der Stadt auf. Was er dort tut, bleibt sein Geheimnis.“ Sein glückliches Geheimnis. Gewohnt autobiographisch beschreibt Arno Geiger seinen Lebensweg, der Weg zur großen Liebe, seine Sorge um die Eltern, seine Zeit, bevor der Erfolg als bekannter Schriftsteller ihn in die Öffentlichkeit katapultierte und was es dann aus ihn machte. Was aber treibt er frühmorgens bei seiner Touren mit dem Rad durch die Stadt?
Sehr amüsant! Eine Entdeckung aus unserem Nachbarland Polen. Zwei ältere Männer, Nachbarn, machen sich auf den Weg von Polen nach Holland, um die Ehefrau des Einen dort zu besuchen und eventuell zurückzuholen. Beatka hat ihren Mann nach 36 Jahren Ehe verlassen. Beide sind nie in ihrem Leben aus dem Dorf herausgekommen, können mit Europa nichts anfangen. Da sie kein Geld haben, betanken sie das Auto mit Sonnenblumenöl: es riecht nach Pommes. Bald schon haben sie einen Wildwechsel-Unfall und sind zu Fuß unterwegs.
Heute spricht man gerne von den „Goldenen Zwanziger“ und verklärt damit dieses Jahrzehnt der Weimarer Republik. Die Menschen, die dieses Jahr durchlebt und oft viel durchlitten haben, dürften wohl eher eine andere Sichtweise gehabt haben. Hyperinflation, Adolf Hitler und die Seinen proben den Aufstand in München und werden niedergeschlagen, Bert Brecht lebt sein Ego aus, Kurt Tucholsky wird lieber Banklehrling, um über die Runden zu kommen und Anita Berber wird bejubelt und ausgebuht.