Nicht einmal einen Namen haben sie ihr gegeben, dem ausgesetzten Mädchen aus dem „Schönen Dorf“. Sie ist noch rechtloser als die anderen Frauen, die nicht mitbestimmen, nicht weggehen, nicht einmal lesen und schreiben lernen dürfen. Der Alltag aller Menschen auf der isolierten Insel ist bestimmt vom Ältestenrat, Traditionen und Jahreszeiten. Fast scheint es, als spiele dies in einer fernen Vergangenheit, doch das „moderne Leben“ findet sogar hierher den Weg.
Johannes Hosea Stärckle, der Stotterer, hat es nicht gerade leicht gehabt in seinem Leben. Momentan sitzt er wegen Betrugs im Gefängnis. Die Überlebenskunst beherrscht er perfekt in immer wieder neuen Identitäten und er hat gelernt, wie leicht sich Menschen manipulieren und ausbeuten lassen. Der Briefwechsel mit dem Gefängnispfarrer ist absolut lesenswert. Seine Leitlinie sind Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, als dessen Nachfolger er sich begreift.
Sie lernen sich in einer Londoner Bibliothek kennen und lieben: die willens- und meinungsstarke Evelyn und der sensible Literatur- und Naturliebhaber Harry. Harry wird in den Krieg eingezogen, Evelyn ist beschäftigt mit der Erziehung dreier, teils widerspenstiger Töchter und anstrengenden Eltern. In dieser Ehe geht manches Geschirr zu Bruch. Der Wunsch nach Aufstieg und einem besseren Leben in der heilen Welt einer Idealfamilie hält die Beiden zusammen. Ein Zusammenspiel von Nähe und Distanz zwischen Evelyn und Harry - ein ganzes Liebesleben lang.
Katerina Poladjan wurde 1971 in Moskau geboren und siedelte als Kind nach Deutschland über. Ihr Großvater überlebte den Genozid an den Armeniern im Ersten Weltkrieg. Im aktuellen Roman von ihr folgt sie nun dieser Spur. Ihre Heldin, die Buchrestauratorin Helen, reist nach Armenien, um dort ihren familiären Hintergründen näher zu kommen. Die Spurensuche ist oft trügerisch und der unsichtbare Schrecken sowohl der Vergangenheit als auch die kriegerischen Auseinandersetzungen der Gegenwart hocken im Nacken.
Zum 50. Geburtstag ihres Vaters Kim Mey haben sich seine drei Kinder eine besondere Überrraschung ausgedacht. Sie haben die Frau ausfindig gemacht, mit der er als Teenager aus Kambodscha vor den "Roten Khmer" geflohen war. Die Überraschung gelingt, die erhoffte Freude über das Wiedersehen fällt allerdings nur sehr gedämpft aus und liegt wie ein Schatten über dem ganzen Geburtstagswochenende. Nach und nach enthüllt Taschler welche Erlebnisse und Geheimnisse die Vergangenheit birgt. Ein spannendens Lesevergnügen mit geschichtlichem Hintergrund und einem überraschenden Ende!
Eine junge Frau steht auf einem Dach. Was hat sie vor? Wer ist sie? Unter ihr eine gaffende Menschenmenge. Einige sind miteinander und mit der Frau auf dem Dach verbunden. Es entspinnt sich mit jedem Kapitel ein Beziehungsgeflecht, Lebensgeschichten werden erzählt, man versteht, warum Dinge getan oder gesagt werden – oder nicht. Vergangenheit und Gegenwart verbinden sich, Zukunftsaussichten tun sich auf. Ein wunderbarer leiser Roman, der die Lesenden mitnimmt in verschiedene Leben. Immer vertrauter wird man mit ihnen – und möchte nicht mehr zu lesen aufhören...
Sasa Stanisic wurde 1978 in Visegrad im damaligen Jugoslawien, jetzt Bosnien-Herzegowina, geboren und emigrierte 1992 mit seinen Eltern nach Deutschland. Es ist ein Buch über die verlorene Kindheit, den Abschied von der dementen Großmutter und über das Ankommen in der neuen Heimat - über Geschichte und Gegenwart. Mit großem Erzähltalent und gewohnt lustvoller Formulierungskunst lässt er uns teilhaben an seiner autobiographischen Selbstbefragung. Absolut lesenwert!
Das Haus im Bezirk Wedding hat seine besten Zeiten hinter sich. Der Wind pfeift durch die Fensterrahmen, der Putz bröckelt und es hat in mehr als 100 Jahren viele Menschen kommen und gehen sehen.
Eine junge Frau wird als Nachtwächterin in einer Verpackungsfabrik eingestellt. Abend für Abend macht sie ihren Rundgang, kontrolliert die Zäune, macht sich ihre Gedanken... Ein Wolf soll in das Gelände eingedrungen sein. Mit jeder Nachtschicht wird die Suche nach dem Wolf mehr zu einer Suche nach sich selbst und zur Frage nach den Grenzen, die wir ziehen, um das zu schützen, woran wir glauben.
Schon ihr erstes Buch „Ein Teelöffel Land und Meer“ hat mich völlig beeindruckt. Auch der neue Roman ist wieder großartig: Als Kind ist Nilou mit ihrer Mutter aus dem Iran geflohen - in die tiefste amerikanische Provinz, wo man sie nicht eben offenherzig empfangen hat. Dennoch hat sie Karriere gemacht. Alles könnte also gut sein, wäre da nicht Nilous Vater, ein opiumsüchtiger Verehrer altpersischer Lyrik, der ihr vom Iran aus die Kluft vor Augen führt, die die Familie voneinander trennt.