Beschreibung
'Das Unbewusste' ist keine Erfindung Freuds, sondern wurde von ihm im 19. Jahrhundert aus anderen Feldern in die Medizin und Psychologie 'umgebucht'. Durch Freud wurde es zum Zentralbegriff der Psychoanalyse und Tiefenpsychologie. Dennoch blieb die Frage, wie und ob es überhaupt 'gedacht' werden kann, Gegenstand heftiger Kontroversen - auch wieder zunehmend in anderen Disziplinen. Michael B. Buchholz und Günter Gödde haben nun ein enzyklopädisches Grundlagenwerk zum Umbewussten herausgegeben, welches das Thema erstmals derart umfassend behandelt. In seinen drei Bänden tragen Philosophen, Psychoanalytiker, Kulturwissenschaftler und Quantenphysiker den aktuellen Diskussionsstand zusammen. Der erste Band der Trilogie, 'Macht und Dynamik des Unbewussten - Auseinandersetzungen in Philosophie, Medizin und Psychoanalyse', beschäftigt sich mit den vor-freudschen Wurzeln des Unbewusste in der (auch außereuropäischen) Philosophie, Medizin und Psychologie, beschreibt die Entwicklungen des Begriffs durch und nach Freud und stellt die unterschiedlichen Perspektiven in der gegenwärtigen Psychoanalyse zur Diskussion - der Lacanianischen Richtung, den Trieb-, Selbst-, Objektbeziehungs- und Intersubjektivitätstheorien. Dabei wird deutlich, wie sehr das Unbewusste in den Nachbarwissenschaften und in der empirischen Psychotherapieforschung längst als selbstverständlich angenommen wird. Band zwei, 'Das Unbewusste in aktuellen Diskursen - Anschlüsse', befasst sich mit den veränderten entwicklungspsychologischen Konzeptionen, die sich aus der Pränatal-, Säuglings- und Bindungs-, aber auch aus der Adoleszenz- und Altersforschung ergeben haben, und widmet sich ann der Verbindung zwischen der Psychoanalyse und den Sozialwissenschaften. Hier haben sich 'neue Anschlüsse' ergeben, vornehmlich in den Kognitionstheorien zu Sprache und Spracherwerb, in der Gedächtnis- und Affektforschung, aber auch in der Interaktions- und Erzählforschung. Die Naturwissenschaften führen inzwischen ebenfalls einen intensiven Dialog mit der Psychoanalyse. Von den Neurowissenschaften und von der Umstellung auf quantentheoretische Grundlagen kann man dabei höchst interessante Impulse erwarten. Renommierte Vertreter aus den Politik-, Sozial- und Kulturwissenschaften führen den Leser kenntnisreich in die weitverzweigte Thematik ein. Der dritte Band - 'Das Unbewusste in der Praxis. Erfahrungen verschiedener Professionen' - würdigt die Einflüsse der Theorien des Unbewussten in einer ganzen Reihe von Praxisfeldern: beginnend mit der psychoanalytischen und psychodynamischen Psychotherapie über die Pädagogik, Kinder- und Jugendlichentherapie zur Familientherapie und psychiatrischen Familienpflege. In den letzten Jahrzehnten haben sich die praktischen Arbeitsgebiete der Psychotherapeuten in erheblichem Umfang auf Fortbildung, Coaching, Supervision und Organisationsberatung ausgeweitet. In der Therapieforschung wird bestimmten Krankheitsbildern wie der Psychosomatik, Depression, Sucht und Psychose sowie Narzissmus und Borderline besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Auch die Analyse unbewusster Prozesse in gesellschaftlichen und politischen Konfliktbereichen ist von großer Relevanz, wie die vorliegenden Beiträge zu den Themen Tabu, Trauma, Antisemitismus und Völkermord zeigen; dazu gehört auch ein Blick auf die Folgen der Globalisierung. Abgerundet wird dieser Band durch Studien zu den Einflüssen des Unbewussten auf Literatur, Musik und Bildende Kunst, aber auch auf die Lebenskunst, insbesondere Freundschaft und Liebe. 'Das Unbewusste' ist conditio humana. Die in den drei Bänden von Michael B. Buchholz und Günter Gödde einzigartig weitreichend zusammengetragenen Erinnerungen und Vergegenwärtigungen auch aus der Zeit vor Freud werden helfen, es angemessen für unsere Zeit zu denken. Diese Trilogie hat dass Zeug zum Klassiker!
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Rezension
»Gödde´s commitment to the intellectual tradition of psychoanalysis in terms of research and teaching well complements Buchholz´s rich professional experience and wide-ranging interdisciplinary interests«
Marco Conci, International Forum of Psychoanalysis, 2008; 17:254–256
»Herausgegeben von Michael B. Buchholz und Günter Gödde umfasst es mehr als 700 Seiten, auf denen sich, solide gebunden und lesefreundlich gesetzt, eine Sammlung von Essays zur Macht und Dynamik des Themas präsentiert. Mit nicht geringem personalen, editorischen und konzeptionellen Aufwand, wie sofort ins Auge springt, denn hier wird in fünf Kapiteln von über zwanzig verschiedenen Autoren aus den unterschiedlichsten Disziplinen (vor allem Philosophie, Pädagogik, Psychoanalyse und Kulturwissenschaften) das Spannungsfeld des Unbewussten vom Beginn der Neuzeit bis zu zeitgenössischen Entwürfen durchmessen.«
Christof Windgätter, Frankfurter Rundschau vom 27. Juli 2005
»Der vorliegende Sammelband eröffnet ein dreibändiges Großprojekt. (...) Die Beiträge stammen von zahlreichen Autoren aus den einschlägigen Disziplinen, hier vor allem aus Philosophie und Psychoanalyse. Die Herausgeber sind besonders intensiv beteiligt, nicht nur mit je eigenen Beiträgen, sondern u. a. auch mit einem Einleitungsessay und mit ›abschließenden Betrachtungen‹ über ›Das Unbewußte und seine Metaphern‹.«
Andreas Wild, Luzifer-Amor H.37/2006
»Als zeitgemäße Therapiemethode bietet sich demnach eine Verbindung von Wissenschaft und Lebenskunst an. Dass diese eine ganz neuartige – für manchen gewiss unerhörte – Umformung der psychoanalytischen Theorie erfordern würde, ist den Herausgebern klar. So manche Praxisanalyse in diesem Band verrät aber auch, dass dieser Prozess unter der Hand längst in Gang gekommen ist.«
Manfred Dierks, Frankfurter Rundschau vom 27. Februar 2007